Aufsichtsrat bei der Deutschen Bank Paul Achleitner ist der neue starke Mann

Frankfurt · Der Allianz-Manager Paul Achleitner, der im nächsten Jahr anstelle von Josef Ackermann an die Aufsichtsratsspitze der Deutschen Bank rücken soll, gilt als exzellenter Kenner der Finanzbranche. Sein Einfluss könnte gewaltig werden – eine Aussicht, die den Verzicht auf Geld leichter machen dürfte.

 Noch ist der Österreicher Paul Achleitner Finanzvorstand der Allianz.

Noch ist der Österreicher Paul Achleitner Finanzvorstand der Allianz.

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Der Allianz-Manager Paul Achleitner, der im nächsten Jahr anstelle von Josef Ackermann an die Aufsichtsratsspitze der Deutschen Bank rücken soll, gilt als exzellenter Kenner der Finanzbranche. Sein Einfluss könnte gewaltig werden — eine Aussicht, die den Verzicht auf Geld leichter machen dürfte.

frankfurt/münchen Im Nachhinein war der 23. Juli 2001 einer der schwärzesten Tage in der Karriere von Paul Achleitner. Damals übernahm die Allianz die Dresdner Bank. Ein gefeierter Deal, bei dem erst viel später klarwurde, dass die traditionsreiche Bank für den größten deutschen Versicherungskonzern zum Milliardengrab werden würde. Binnen sieben Jahren wurde die Hälfte der Jobs gestrichen, 2008 übernahm die Commerzbank ihren einstigen Rivalen.

Den Fehlgriff in Mainhattan (Achleitner hatte die Übernahme maßgeblich mit eingefädelt) sollen einige in der Allianz-Zentrale ihrem Finanzchef bis heute nicht verziehen haben. Aber darauf kommt es so oder so nicht mehr an. Achleitners Tage in München sind gezählt.

Nach der Hauptversammlung der Deutschen Bank im Mai wird der Österreicher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Aufsichtsratschef der Deutschen Bank. Das wäre gleichbedeutend mit dem Verzicht auf ein siebenstelliges Salär. Stattdessen bekommt Achleitner als oberster Kontrolleur um die 300.000 Euro — wenn die Deutsche Bank nicht noch ein Schüppchen drauflegt. Von den finanziellen Dimensionen seines Allianz-Vertrages wäre Achleitner auf jeden Fall Welten entfernt.

Wenn das Einkommen aber so stark schrumpft — was treibt dann einen Mann, von München nach Mainhattan zu wechseln? Möglicherweise die Aussicht, neben Gerhard Cromme zu einem der einflussreichsten Männer in der deutschen Wirtschaft aufzusteigen. Zum Vergleich: Cromme führt die Aufsichtsräte bei ThyssenKrupp und Siemens, und er sitzt als einfaches Mitglied in den Kontrollgremien der Allianz, der Lufthansa, bei Eon und Axel Springer sowie den französischen Großkonzernen BNP Paribas und Suez. Achleitner ist schon Aufsichtsrat bei Bayer, RWE und MAN, zudem gehört er zum Gesellschafterausschuss von Henkel.

Und jetzt auch noch die Deutsche Bank. Achleitner soll an die Stelle rücken, die eigentlich für Josef Ackermann gedacht war, und allein diese personelle Konstellation rückt den Neuen ins Rampenlicht. Nicht nur als Kontrolleur der einzigen deutschen Bank, die im Weltkonzert mitspielt, sondern womöglich auch als Ratgeber in politischen Fragen. Dank seiner früheren Mitgliedschaft in der Corporate-Governance-Kommission (sie erarbeitete Regeln für gute und ethische Unternehmensführung in Deutschland) ist Achleitner politisch exzellent verdrahtet.

Die Vorstellung, als einflussreicher Aufseher in Industrie und Finanzwesen gleichermaßen Strippenzieher im Hintergrund zu sein, könnte am Ende ungleich reizvoller gewesen sein als der finanziell lukrativere Job als Nummer zwei bei der Allianz hinter Michael Diekmann — gerade mal ein Jahr älter als Achleitner und 2003 zum Nachfolger des damaligen Konzernchefs Henning Schulte-Noelle gekürt, auf dessen Stuhl Achleitner auch gern gerückt wäre. Diese Episode hat übrigens ein bisschen was von der Lebensgeschichte des Metro-Chefs Eckhard Cordes, der bei Daimler so gern Jürgen Schrempp beerbt hätte und dann aber doch Dieter Zetsche den Vortritt lassen musste.

Doch während Cordes dieses Bild vom verlorenen Zweikampf auch als Chef von Haniel und Metro nie losgeworden ist, gilt Achleitner als Gewinner. Er kennt die Finanzszene in- und auswendig, er war erfolgreicher Partner der US-amerikanischen Investmentbank Goldman Sachs, und er hat mehr als ein Jahrzehnt die Finanzen der Allianz in der Hand gehabt. Dass der Versicherer von den Wirren der Finanzkrise weitgehend verschont blieb, ist auch sein Verdienst.

Trotzdem dürfte so manchem in der Zentrale der Deutschen Bank ein ungutes Gefühl beschleichen bei dem Gedanken an den künftigen Chef-Kontrolleur. Das liegt vermutlich auch daran, dass der designierte Nachfolger von Clemens Börsig, anders als sein Vorgänger selbst, gelernter Investmentbanker ist. Die Achse zwischen ihm und dem Investmentbanker Anshu Jain an der Vorstandsspitze lässt einige argwöhnen, die Deutsche Bank entwickle sich nun noch stärker zu einer Investmentbank mit angeschlossenem Filial- und Kreditgeschäft.

Doch für die Entscheider der Deutschen Bank muss Achleitner schon länger eine vorzeigbare Alternative gewesen sein. So schnell, wie er am Montag nach Ackermanns Rückzugs-Ankündigung aus dem Hut gezaubert wurde, wirkte das wie vorbereitet. Die Weichen sind jetzt gestellt.

(RP/csr)
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