Interview mit Lufthansa-Passage-Vorstand Garnadt "Piloten haben jedes Maß verloren"

Düsseldorf · Der Passage-Vorstand der Lufthansa wirft den streikenden Piloten "Kompromisslosigkeit" vor. Außerdem erklärt der Lufthansa-Manager, warum der Flughafen Düsseldorf bei Europas größter Airline gerade viele Sympathien verspielt.

 Karl Ulrich Garnadt (hier: im Frachtraum einer Boeing) rechnet vor, dass die Pilotenstreiks die Lufthansa schon 60 Millionen Euro gekostet haben. Der 57-Jährige hat als Luftverkehrskaufmann bei der Lufthansa begonnen.

Karl Ulrich Garnadt (hier: im Frachtraum einer Boeing) rechnet vor, dass die Pilotenstreiks die Lufthansa schon 60 Millionen Euro gekostet haben. Der 57-Jährige hat als Luftverkehrskaufmann bei der Lufthansa begonnen.

Foto: dpa

Die Lufthansa ist in diesem Jahr mehrfach von ihren Piloten bestreikt worden. Was kostet das Lufthansa?

Karl Urlich Garnadt: Die Gewerkschaft Vereinigung Cockpit hat offenbar jedes Maß verloren. Die drei Streiktage im April haben uns 60 Millionen Euro gekostet, die jüngsten Streikwellen einen weiteren zweistelligen Millionen-Betrag. Nicht absehbar ist der Image-Schaden, den wir als zuverlässige und pünktliche Airline erleiden. Wir sehen bei Privatreisekunden schon eine deutliche Buchungszurückhaltung, insbesondere bei Flügen zu klassischen Urlaubszielen. Bei den Geschäftsreisen ist das glücklicherweise weniger deutlich, weil diese Kunden sehr viel kurzfristiger buchen.

Warum kommen Sie den Piloten nicht weiter entgegen?

Garnadt: Weil wir dringend wettbewerbsfähige Kosten in allen Bereichen brauchen, um die Zukunft der Lufthansa zu sichern. Bei den Piloten geht es konkret um sehr moderate Einschnitte bei der Übergangsversorgung im Vorruhestand. Eine vergleichbare Regelung, bei der Mitarbeiter bereits mit 55 ausscheiden können, gibt es in ganz Europa nur noch bei der Lufthansa. Um es noch einmal klar zu sagen: Wir respektieren den Bestandsschutz der aktiven Piloten und bieten ihnen eine schrittweise Anpassung an. Aber bei der neuen Pilotengeneration müssen wir zu einer zeitgemäßen, eigen-finanzierten Übergangsversorgung kommen.

Im Schnitt scheiden die Piloten ja bereits heute ohnehin erst mit 59 aus. So viel Wind um ein Jahr?

Garnadt: Diese Frage stellen sich viele Kolleginnen und Kollegen im Cockpit auch. Sie alle wissen: Der Wettbewerb in der Luftfahrt ist so hart wie nie zuvor und es ist für unser ganzes Unternehmen eine Riesenherausforderung, in dieser Situation die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft zu stellen. Alle Mitarbeiter im der Lufthansa Gruppe mussten hierbei ihren Beitrag leisten, da können die Piloten nicht als einzige Berufsgruppe außen vor bleiben. Aber den Gewerkschafts-Funktionären geht es vielleicht auch um die Symbolik: schaut her, wir sind anders, wir wissen besser, wie es geht.

Brauchen wir politische Maßnahmen gegen Streiks in der Verkehrsbranche?

Garnadt: Wir respektieren natürlich das Streikrecht. Es gibt aber in der Verkehrswirtschaft Bereiche, die so sensibel sind, dass Streiks dort der gesamten Volkswirtschaft massiv schaden. Die Luftfahrt ist in einer globalisierten Wirtschaftswelt eine nicht zu ersetzende Infrastruktur. Da muss eine Regelung möglich sein, die das Grundrecht auf Streik nicht zu einem unkalkulierbaren Risiko ausufern lässt. Wir brauchen neue Ansätze, die beispielsweise vorsehen, dass die unterschiedlichen Gewerkschaften ihre Tarifauseinandersetzungen in einem gemeinsam verabredeten Zeitkorridor bündeln. Dann kann es nur noch eine von Streiks bedrohte Periode pro Tarifrunde geben. Wenn eine solche Regelung nicht gelingt, droht uns heute ein Streik der Bodenmitarbeiter, morgen der Flugbegleiter und übermorgen der Piloten. Mit dem Ergebnis, dass unser Flugbetrieb permanent angreifbar ist. Wir brauchen hier mehr Schutz. Auch weil wir mit Fluglinien vom arabischen Golf im Wettbewerb stehen. Dort kennt man weder Tarifverträge noch Streiks.

Aber die Golf-Carrier sind auch dann noch billiger, wenn die Lufthansa nicht bestreikt wird…

Garnadt: … weil sie Teil von staatlich finanzierten Luftfahrtmonopolen sind. Trotzdem machen die uns im Premium-Segment nichts vor. Wir haben weltweit das größte Angebot in der Business- und in der First Class mit einer hervorragenden Verbindungsqualität. Aber wir brauchen natürlich auch eine Antwort im preissensiblen Privatreisesegment. Im Europaverkehr haben wir mit dem erfolgreichen Aufbau unserer konzerneigenen Low-Cost-Töchter Germanwings und Eurowings bereits bewiesen, dass wir das können. Deshalb prüfen wir ernsthaft die Gründung eines neuen Low-Cost-Langstreckenangebotes vor, eine Entscheidung hierzu wird vor Weihnachten fallen.

Wie groß wird dieser Billig-Langstreckenflieger?

Garnadt: Der Businessplan, den wir gerade erarbeiten, sieht zunächst sieben Low-Cost-Langstreckenflugzeuge vor. Starten würden wir allerdings erst einmal mit zwei bis drei Maschinen.

Wieviel können die Passagiere dann auf der Langstrecke sparen?

Garnadt: Das kommt darauf an, denn wir planen ein "a la Carte"-Angebot. Die unterste Preiskategorie, die keine Nebenleistungen beinhaltet, könnte etwa ein Drittel günstiger sein als bisherige Langstrecken-Angebote. Mögliche Ziele liegen in Nordamerika und Asien. Und wir haben natürlich auch klassische Sonnenziele im Blick.

"Mit jedem neuen Zubringerflug zu den Umsteigehubs in der Golfregion wird der für Flughafen Düsseldorf für interkontinentale Direktverbindungen anderer Fluggesellschaften uninteressanter"

München und NRW buhlen um die Heimatbasis dieses Projekts. Wer hat die Nase vorn?

Garnadt: Wir sind mit den Flughäfen in München, Köln und Düsseldorf im Gespräch. Köln war die erste Basis von German Wings und ist ein etablierter Low Cost Airport. Düsseldorf hat den Vorteil, ein etablierter Langstrecken-Airport zu sein. Die Flughafen-Gebühren und die Nebenkosten für die Passagiere wie zum Beispiel Parkgebühren sind bei einem Low-Cost-Angebot sehr wichtig. Da hat Köln, bezogen auf NRW, klar die Nase vorn. Der Flughafen Düsseldorf investiert aber offenbar lieber in Positionen für Airbus A 380 Flugzeuge aus Dubai, die dann die Passagiere zum nächtlichen Umsteigen an den arabischen Golf befördern. Ich denke, mit jedem neuen Zubringerflug zu den Umsteigehubs in der Golfregion wird der für Flughafen Düsseldorf für interkontinentale Direktverbindungen anderer Fluggesellschaften uninteressanter.

Warum soll Emirates in Düsseldorf keine Langstrecken anbieten dürfen?

Garnadt: Dürfen sie. Aber man wird in Düsseldorf auf Dauer nicht beides entwickeln können. Dann ist die langfristige Perspektive in DUS eher eine Zubringerfunktion für Dubai oder Abu Dhabi.

Ist das Nachtflug-Verbot am Flughafen Düsseldorf ein Standort-Nachteil?

Garnadt: Für uns nicht, die Rahmenbedingungen sind ja seit Jahren gesetzt.

Düsseldorf will mehr Start- und Landerechte am frühen Morgen und am späten Abend beantragen. Beeinflusst das die Standort-Entscheidung der Lufthansa?

Garnadt: Das ist eher ein grundsätzliches Thema. Natürlich finden wir es als Airline wichtig, dass die vorhandene Flughafen-Infrastruktur an Deutschlands wichtigsten Flughäfen optimal genutzt werden kann. Aber eine Erweiterung der Kapazitäten in Düsseldorf ist für uns bei der aktuellen Standortentscheidung nicht die wichtigste Frage.

Warum kommt der Flughafen Weeze in Ihren Überlegungen gar nicht vor?

Garnadt: Wir haben in Deutschland zu viele kleine Flughäfen. Die Luftfahrt braucht weniger, aber dafür leistungsfähige Airports an hervorragend erschlossenen Standorten, die wachsen können. Selbst der Billigflieger Ryanair taucht inzwischen an den Flughäfen Köln und Brüssel auf. Offensichtlich hat man in Irland bemerkt, dass das Passagierpotential für Provinzflughäfen begrenzt ist.

Sie haben den Um- und Ausbau der Düsseldorfer Tochter Eurowings angekündigt. Wie wir der Umbau aussehen?

Garnadt: Wir werden die kleineren Flugzeuge vom Typ Bombardier CRJ900 sukzessive durch solche vom Typ Airbus A320 ersetzen. Im Wettbewerb mit den Low Costern brauchen wir Flugzeuge, die im direkten Streckenvergleich kostenseitig mithalten können.

Aber Sie haben die Regionaljets gerade erst neu angeschafft, Eurowings hat eine der jüngsten Flotten. War der Kauf eine Fehlentscheidung?

Garnadt: Nein, keineswegs. Als wir vor fünf Jahren diese Flugzeuge kauften, war die Wettbewerbs- und Nachfragestruktur in Deutschland auch bei den Direktverkehren noch ganz anders. Einen Teil der Flugzeuge können wir hervorragend in den Hubs einsetzen. Ansonsten gibt es weltweit weiterhin eine gute Nachfrage nach CRJ900, so dass wir ordentliche Verkaufspreise erzielen können.

Werden diese neuen Airbusse auch in Düsseldorf stationiert sein?

Garnadt: Das ist sehr wahrscheinlich. Auch am Sitz der Eurowings in der NRW-Landeshauptstadt wollen wir festhalten.

Lufthansa-Klassik, Germanwings, Eurowings, dazu noch Austrian und Swiss - warum agieren sie mit so vielen Marken?

Garnadt: Mit unseren verschiedenen Marken sind wir in den Heimatmärkten der Lufthansa Gruppe gut verankert. Deshalb werden wir unsere traditionsreichen Qualitätsmarken auf jeden Fall weiterführen und hier weiter investieren. Für das Low Cost Segment werden wir aber ein ganzheitliches neues Markenkonzept entwickeln, das das Qualitäts- und Leistungsversprechen der Lufthansa Gruppe auch in diesem Segment verdeutlichen wird.

Das Gespräch führten Thorsten Breitkopf und Thomas Reisener.

(tor)
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