Vorwurf der Marktmanipulation Freisprüche für Ex-Porsche-Vorstände Wiedeking und Härter

Stuttgart · Das Stuttgarter Landgericht hat Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und seinen früheren Finanzvorstand Holger Härter vom Vorwurf der Marktmanipulation freigesprochen.

 Wiedeking und Härter beim Auftakt des Prozesses im Oktober 2015 vor Gericht.

Wiedeking und Härter beim Auftakt des Prozesses im Oktober 2015 vor Gericht.

Foto: dpa, mut jhe hjb kno

"An den Vorwürfen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist nichts dran, nichts - weder vorne, noch hinten, noch in der Mitte." Das sagte Richter Frank Maurer am Freitag in Stuttgart. In dem Strafprozess ging es um die juristische Aufarbeitung der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und Volkswagen 2008. Damals war der VW-Börsenkurs heftigen Schwankungen ausgesetzt, Anleger verloren Milliarden.

Die Staatsanwaltschaft hatte Wiedeking und Härter vorgeworfen, ihre Pläne verschleiert oder über diese nur mangelhaft informiert zu haben. Beide Manager hatten das stets bestritten — dieser Ansicht folgte das Gericht nun in seinem Urteil.

"Wir sind froh, dass dieses Kapital abgeschlossen ist", sagte Wiedeking nach dem Urteil. Die Vorwürfe seien "grotesk" gewesen. "Wir waren uns immer bewusst, dass wir uns nichts vorzuwerfen haben", meinte Härter.

Porsche hatte 2008 versucht, den viel größeren Volkswagen-Konzern zu schlucken. Die Angeklagten hatten entsprechende Pläne lange bestritten. Erst Ende Oktober 2008 wurde die Übernahmeabsicht bestätigt. Daraufhin stieg der Wert einer VW-Aktie binnen zwei Tagen etwa um das Fünffache. Investoren, die auf fallende Kurse gesetzt hatten, verloren riesige Summen.

Laut Staatsanwaltschaft manipulierten Wiedeking und Härter damals den Kapitalmarkt und wollten den VW-Kurs zu ihren Gunsten steuern. Dieser Auffassung folgte das Gericht in Stuttgart jedoch nicht. Die Porsche-Dachgesellschaft Porsche PSE muss zudem kein Bußgeld zahlen.

Die Ankläger hatten für Wiedeking zweieinhalb Jahre Haft und eine Million Euro Geldbuße gefordert. Für Härter war die geforderte Freiheitsstrafe etwas geringer. Die Verteidiger hatten auf Freispruch plädiert.

Die Staatsanwaltschaft hatte sich bei ihrer Haftforderung komplett auf Akten gestützt, weil aus ihrer Sicht Zeugen und Gutachter in dem Verfahren "unergiebig" waren. Die Schlussfolgerungen der Staatsanwaltschaft seien aber nicht stimmig, so der Richter. So sei die Annahme der Ankläger, Wiedeking und Härter hätten den Übernahmebeschluss "beim Feierabendbierchen" treffen können, unrealistisch, da so ein Beschluss hätte verbindlich sein müssen.

Einem Gutachten zufolge gab es entweder gar keinen oder keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Porsche-Verlautbarungen und dem VW-Börsenkurs 2008. Die Anklagebehörde hatte hierauf das Gutachten als wertlos dargestellt, auch weil die falsche Methode gewählt worden sei. Diese Haltung kritisierte der Richter in seinem Urteil: "Die Staatsanwaltschaft steht mit ihrer Auffassung allein auf weiter Flur." Die gewählte Analysemethode sei solide.

Im Verlauf des fünfmonatigen Verfahrens mit 22 Prozesstagen wurden zahlreiche Banker und Rechtsberater als Zeugen sowie ein Gutachter vorgeladen. Keiner von ihnen konnte die Vorwürfe der Ankläger wesentlich stützen. Dies hatte selbst Staatsanwalt Heiko Wagenpfeil eingeräumt.

Nach seiner Auffassung war die Indizienlage aber so erdrückend, dass Wiedeking und Härter dennoch schuldig seien. Die Verteidigung warf Wagenpfeil "Hirngespinste" vor.

Für Wiedeking und Härter ist das Thema aber noch nicht abgehakt. Die Staatsanwaltschaft will die Möglichkeit einer Revision prüfen. Geht sie nicht in Revision oder scheitert diese, wäre das Urteil rechtskräftig - dann würden Wiedeking und Härter in den Zivilverfahren als Zeugen vorgeladen, vermutlich 2017.

Der Ausgang des Strafverfahrens ist auch ein Signal an separate Zivilprozesse in Niedersachsen, wo Fonds auf mehr als fünf Milliarden Euro Schadenersatz klagen - bisher ohne großen Erfolg.

Einer der federführenden Anwälte der Zivilkläger, Andreas Tilp, zeigte sich nach dem Stuttgarter Urteil gelassen. Die Freisprüche berührten die Zivilklagen nicht, sagte er und betonte: "Es gibt keine Bindungswirkung zwischen Strafurteilen und Zivilprozessen."

Externe Fachleute sahen sich in dem Urteil bestätigt. Angesichts großer Zweifel, die schon früh an der Tragfähigkeit der Anklage-Konstruktion bestanden hätten, "könnte man fast von der Chronik eines angekündigten Scheiterns sprechen", sagte der Frankfurter Juraprofessor Matthias Jahn.

"Das Verfahren hat gezeigt, dass das landläufige Vorurteil, dass man "die Kleinen hängt" und "die Großen laufen lässt", nicht zutrifft, denn die Angeklagten sind mit einem Ermittlungsverfahren und einer langen und belastenden Hauptverhandlung überzogen worden."

(das/dpa/rtr)
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