Porträt Der zerbrochene Mythos Middelhoff

Düsseldorf · Vom Landgericht Essen ist Thomas Middelhoff zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Es ist ein Bruch in einer der aufregendsten Biografien der deutschen Wirtschaftsgeschichte.

 Thomas Middelhoff bei der Urteilsverkündung vor dem Landgericht Essen.

Thomas Middelhoff bei der Urteilsverkündung vor dem Landgericht Essen.

Foto: dpa, ve lof

Der Manager Thomas Middelhoff lebte lange Zeit von seinem Mythos. Er selbst hatte diesen Mythos geschaffen und gepflegt. Auch bei den Terminen am Essener Landgericht gab sich Middellhoff als unentwegt arbeitende Wirtschaftsgröße. Das Landgericht verurteilte ihn nun zu drei Jahren Haft. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Middelhoff sich private Reisen vom insolventen Konzern Arcandor bezahlen ließ. Auch die Kosten für eine Festschrift für seinen Mentor beim einstigen Arbeitgeber Bertelsmann wälzte der Manager auf Arcandor ab. Laut Landgericht Essen war damit der Straftatbestand der Untreue gegeben.

Schon zu Beginn des Prozesses wirkte jedes Argument der Ankläger wie ein Angriff auf Middelhoffs Mythos. Jeder Punkt der eineinhalbstündigen Anklageverlesung war ein Schlag mit Hammer und Meißel auf die Statue des strahlenden Topmanagers.

Früher war sein Ruf brillant. Der Manager sieht stets aus wie aus dem Ei gepellt, er redet freundlich, wirkt immer zuvorkommend. Manchem ist er zu glatt, aber er hat zunächst so viel Erfolg, dass er auf Sympathiepunkte verzichten kann. Bei Bertelsmann gilt der smarte Rheinländer als Held. Er ist ein Visionär, er kauft und verkauft, er baut RTL aus, er macht das Buchgeschäft durch den Kauf von Random House zum Weltmarktführer. Er scheffelt Geld für den Mediengiganten und bringt schillernden Glanz nach Ostwestfalen. Aber nach knapp vier Jahren schickt ihn der Patriarch Reinhard Mohn in die Wüste. Die beiden sollen sich nicht einig gewesen sein, ob weiteres Wachstum aus dem Cash Flow kommen oder Bertelsmann sich das Geld dafür an der Börse besorgen soll.

Middelhoffs Lack bekommt erste Kratzer. Aber er lässt sich davon nichts anmerken und wechselt zur Investmentfirma Investcorp. Dann ruft Madeleine Schickedanz. Ihr Konzern KarstadtQuelle schlingert, aber Middelhoff gelingt es weder als Aufsichtsrats- noch als Vorstandschef, das Ruder herumzureißen. Er verkauft Handelsimmobilien und feiert dies als großen Wurf, und er führt das Reiseunternehmen Thomas Cook in eine Großfusion.

In Essen präsentiert sich Middelhoff als detaillversessener Manager. Nicht nur der Name Arcandor steht bald auf einer Anhöhe zwischen den Stadtteilen Harzopf und Bredeney, auch die Hauptverwaltung wird renoviert. Bei Vorstandssitzungen sind die Abläufe klar geregelt, kein Auto darf in am Haupteingang warten. Der Einlass an der sonst offenen Schranke wird nur den Topmanagern gewehrt. Aber letztendlich entwickelt Middelhoff niemals ein erfolgreiches Konzept dafür, wie man das Warenhausgeschäft von Karstadt zukunftsfähig machen oder die Krise im Versandhandel meistern kann.

Neben dem Prozess am Landgericht Essen sorgen weitere Berichte über Middelhoff dafür, dass er immer mehr lächeln muss, um immer mehr Kritik abprallen zu lassen. Am Rande des Essener Prozesses wurde Middelhoffs Armbanduhr gepfändet. Nach einem Termin bei einem Gerichtsvollzieher flüchtete er über die Rückseite eines Gebäudes und über eine Garage, um den wartenden Journalisten zu entkommen.

Der Richter im Essener Untreueprozess berfürchtete ebenfalls eine Flucht Middelhoffs. Er erließ kurz nach der Urteilsverkündung Haftbefehl gegen Thomas Middelhoff. In der kommenden Woche soll geprüft werden, ob Middelhoff in Untersuchungshaft bleiben muss.

(ac)
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