Streetscooter Post baut neue E-Auto-Fabrik in NRW

Bonn/Aachen · Der Streetscooter war bislang ein Elektrolieferwagen, den die Post nur für sich baute. Das ändert sich: Ein neues Werk entsteht, jeder kann das Auto kaufen, und der Vorstand prüft eine globale Expansion.

 Post-Vorstand Jürgen Gerdes präsentiert den Elektro-Lieferwagen "Streetscooter".

Post-Vorstand Jürgen Gerdes präsentiert den Elektro-Lieferwagen "Streetscooter".

Foto: Deutsche Post AG

Für ihren konzerninternen Elektrolieferwagen Streetscooter hat die Deutsche Post schon viel Lob erhalten. Jetzt will das Bonner Unternehmen damit auch Geld verdienen. "Wir werden in NRW eine zweite Fabrik für den Streetscooter aufbauen, die noch dieses Jahr starten soll", sagte Postvorstand Jürgen Gerdes unserer Redaktion. Gerdes ist zuständig für das weltweite Paketgeschäft. Außerdem treibt er mit Streetscooter ein Start-up voran, das seit 2014 der Post gehört und maximal 10.000 Wagen bauen kann.

Das neue Werk soll nach NRW kommen. Gerdes: "Es ist sinnvoll, dass die Techniker und Führungskräfte des Mutterwerkes in Aachen kurze Wege haben." Neue Jobs würden entstehen, vermutlich im niedrigen dreistelligen Bereich. Am Ende ist eine Produktionskapazität bis zu 20.000 Stück im Jahr geplant.

Außerdem würden Post und Streetscooter über ein drittes Werk in Deutschland nachdenken, das aber "näher bei möglichen Fremdkunden" liegen soll. Mit dem Bau einer neuen Fabrik steigt die Post als Anbieter in den Automarkt ein. Vorstand Gerdes nannte schon erste Interessenten. "Mich fragt praktisch jede Woche mindestens ein Geschäftspartner, ob wir ihm nicht einen oder viele Streetscooter verkaufen. Nachdem wir schon 2500 Fahrzeuge in Deutschland und 100 in den Niederlanden mit großem Erfolg und mit hoher Zuverlässigkeit nutzen, ist der Weg frei für eine breite Vermarktung in ganz Deutschland und Europa."

Die Kunden werden auch andere Farben als Post-Gelb auswählen können, die Preise für das Basismodell mit aktuell 80 Kilometer Reichweite und Zuladung von vier Kubikmetern werden bei 32.000 Euro starten.

"Damit erschließt sich die Post ein interessantes Marktsegment bei anderen Lieferfirmen oder Handwerkern", sagte Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte der Universität Duisburg-Essen. Er wies darauf hin, dass der Streetscooter im vergangenen Jahr mit 1669 Zulassungen das vierthäufigste reine Elektroauto in Deutschland war. Besser waren nur Renault (3157 Wagen), BMW (2864) Stück) und Tesla (1908). Der Auto-Professor lobte die Bonner: "Gemessen daran, dass die Post bisher keine Fremdkunden hatte, ist das viel. Und gemessen daran, dass viele Städte Fahrverbote für Diesel prüfen, gibt es sehr große Chancen."

Die Post-Tochter Post Service wird ähnliche Dienstleistungen und Garantien wie VW oder Mercedes anbieten. "Es wird eine Werkstattgarantie wie bei klassischen Autoherstellern geben", so Gerdes. "Wir haben bereits einige hundert Werkstätten in Deutschland zertifiziert, die den Streetscooter warten können - bisher für uns, künftig auch für Fremdkunden".

Das ist aber nur der Anfang. Weil die Post eigene Paketlieferfirmen in Österreich, Großbritannien, Tschechien, Niederlande und Polen besitzt sowie in anderen Ländern mit Partnern zusammenarbeitet, wird ein europaweiter Roll-out der Elektrofahrzeuge zum Eigenbedarf und für fremde Käufer geplant.

Parallel wird der Sprung nach Übersee geprüft. Gerdes verwies auf die internationale Stellung der Post mit einer lokalen Präsenz in fast allen Ländern der Welt: "In Indien und Thailand fahren wir bereits Pakete aus. Deshalb prüfen wir, ob der Streetscooter für uns und auch für externe Kunden interessant sein könnte." Gerdes könnte sich vorstellen, dass der E-Lieferwagen in New York, San Francisco oder Peking großes Interesse findet. "Bei entsprechender Nachfrage wären auch Werke in Übersee denkbar", sagte Gerdes.

Der Post-Vorstand nannte schon mögliche Verkaufszahlen: "Auf Dauer ist ein Verkauf von 100.000 Stück pro Jahr mit dann zehn Werken weltweit denkbar." Ein Börsengang sei zwar "nicht geplant, aber auch nicht ausgeschlossen."

(kowa)
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