Irische Billigmodekette in der Kritik Primark: SOS mit der Nähmaschine

Düsseldorf · Die irische Modekette Primark, die auch in Deutschland beliebt ist, gerät heftig in die Kritik. Arbeiter von Lieferanten aus Bangladesch sollen Hilferufe in Kleidung eingenäht und Arbeitsbedingungen beklagt haben. Primark glaubt an eine Kampagne.

Primark eröffnet Riesen-Filiale in Köln
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Foto: Inga Methling

Es ist nicht mal eineinviertel Jahre her, da äußerte die Textilindustrie nach dem Einsturz einer Fabrik in Bangladesch tiefe Betroffenheit. Mehr als 1100 Menschen starben damals in einem achtstöckigen Gebäude, dessen obere Etagen nur unzureichend tragende Wände hatten. Nur zögerlich sagten Modeketten, die dort fertigen ließen, seinerzeit finanzielle Hilfe zu. Die irische Primark, die kanadische Loblaw und die spanische Kette El Corte Ingles gehörten zu den ersten, die den Angehörigen der Opfer spontan ihre Hilfe anboten. Im März dieses Jahres begann Primark mit der Auszahlung von neun Millionen Euro an Hilfsleistungen.

Das klingt zunächst honorig, aber an den Arbeitsbedingungen hat es vermutlich nichts geändert. Primark steht deretwegen nämlich schon wieder in der Kritik. Ein Fabrik-Mitarbeiter eines Primark-Lieferanten soll in eine Hose, die später eine Kundin in der nordirischen Hauptstadt Belfast kaufte, einen Hilferuf eingenäht und über weiter katastrophale Arbeitsbedingungen geklagt haben. Von "arbeiten müssen wie Ochsen" ist die Rede, von "SOS", vom Zwang zur "Arbeit bis zur Erschöpfung", von Essen, das selbst für Tiere ungenießbar wäre. Die Nachricht sei in den Gefangenenausweis eines chinesischen Gefängnisses eingelegt worden.

Primark selbst zweifelt an der Echtheit des Hilferufs und hält eine Kampagne für denkbar. Die Kette war gleich dreimal binnen einer Woche von heimlichen Klagen betroffen. Mehrere Kundinnen in Wales hatten in ihren neu gekauften Kleidungsstückchen ebenfalls Botschaften entdeckt. Das Unternehmen hält das für merkwürdig, weil die Teile in unterschiedlichen Fabriken gefertigt worden seien, hat aber eine Untersuchung angekündigt. Es weist aber darauf hin, dass der Lieferant der in Belfast verkauften Hose neunmal geprüft worden sei, und in keinem Fall seien Arbeitsbedingungen festgestellt worden, die unzumutbar gewesen seien.

Billigmodeketten in zweifelhaftem Licht

Die Berichterstattung auf der Insel rückt die Billigmodeketten dieser Welt trotzdem erneut in ein zweifelhaftes Licht. Nach dem Einsturz in Bangladesch hatten sich internationale Textilanbieter verpflichtet, die Sicherheitsvorkehrungen zu verbessern, Bangladesch hatte Gewerkschaften zugelassen, die sich um die Bedürfnisse der Belegschaft kümmern sollten. Nur ein Feigenblatt?

Das Problem ist auf jeden Fall bekannt: Die Handelsketten bieten ihren Kunden Mode zu extrem niedrigen Preisen an. Wer das tun kann, der muss der ökonomischen Gesetzmäßigkeit nach zu extrem niedrigen Kosten produzieren (lassen), und deshalb werden bei den Produzenten Arbeiter schlecht bezahlt,werden Sicherheitsbedingungen für Fabriken vernachlässigt, werden Mindeststandards bei den Arbeitsbedingungen nicht eingehalten. Das führt zu Katastrophen wie im vergangenen Jahr, und so fordert die Billigmode am Ende Menschenleben — ein hoher Preis.

Das ist vordergründig nicht die Schuld der Modeketten, aber sie nehmen den Herstellern die Ware eben nur zu Niedrigpreisen ab. Andererseits setzen Kunden auf Ketten wie Primark oder die deutsche Kik. Dort kaufen jene ein, die sich Mode zu extrem günstigen Preisen leisten und vermutlich nicht auf Billiganbieter verzichten wollen. Ob der angebliche Hilferuf Konsequenzen für die Arbeitsbedingungen haben wird, bleibt nicht nur deshalb zweifelhaft. Experten gehen davon aus, dass in den Fabriken jetzt Kontrolleure noch schärfer darauf achten werden, dass Klagen von Mitarbeitern auf diesem Weg nicht (mehr) an die Öffentlichkeit gelangen.

(gw)
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