Vodafone-Chef Ametsreiter im Interview "Programmieren als Schulfach"

Düsseldorf · Hannes Ametsreiter, Chef von Vodafone Deutschland, spricht im Interview über den Glasfaser-Ausbau, IT in der Schule und sein persönliches Verhältnis zu Smartphones.

 "Ich bin Innovations-Fan": Hannes Ametsreiter.

"Ich bin Innovations-Fan": Hannes Ametsreiter.

Foto: Andreas Bretz

Wir sehen Hannes Ametsreiter im 17. Stock des Vodafone-Turms. Er erzählt vom Skiurlaub in seiner Heimat Österreich. Beide Töchter wären schwarze Pisten mitgefahren, er liebe die klare Luft in den Bergen und die Ruhe, sagt er. In Düsseldorf mag er das Joggen am Rhein.

Herr Ametsreiter, Vodafone lebt vom Smartphone-Boom, aber die Handybegeisterung zumindest von Kindern kann man auch kritisch sehen. Was dürfen Ihre Töchter?

Ametsreiter Die Zehnjährige lebt schon digital. Sie hat letzten Sommer während der Familienferien einen kleinen Programmierkurs im Silicon Valley besucht. Aber mehr als eine Stunde soll sie am Tag nicht auf ihrem Smartphone herumspielen. Dafür haben wir die App "Moment" auf dem Gerät installiert. Da können wir Nutzungsprofil und -dauer aufrufen. Sie ist nicht begeistert - meine Frau und ich schon. (lacht).

Wie sehr sind Sie selbst Handyfan?

Ametsreiter Ich bin Innovations-Fan. Da sind die Möglichkeiten der kommenden Gigabit-Gesellschaft fantastisch: vom vernetzten Zuhause über smarte Städte, von künstlicher Intelligenz bis hin zum vernetzen Fahren. Mit dem Kartendienst Here entwickeln wir gerade zum Beispiel den 5G-Atlas fürs autonome Fahren, quasi Echtzeitkarten für die nächste Mobilfunkgeneration. Als nächste Welle bei Anwendungen erwarte ich deutlich attraktivere Assistenten, die per Sprache im Auto aufgerufen werden. Dann bestelle ich meine Pizza, während ich nach Hause fahre oder stelle per Sprachbefehl schon mal die Heizung an.

Die Telekom bringt einen eigenen Sprachassistenten auf den Markt.

Ametsreiter Ich bin da eher skeptisch. Denn die Internetgiganten aus den USA wie Amazon, Google oder Apple sind bei der Entwicklung selbstlernender Sprachassistenten derart fortgeschritten, dass es zusätzliche Spieler schwer haben.

Wird es weiter Wachstum für die Telekom-Branche geben, obwohl die Preise ja gemessen an der Leistung kontinuierlich sinken?

Ametsreiter Vodafone beweist, dass Wachstum möglich ist. In jedem der letzten fünf Quartale haben wir beim Umsatz zugelegt. Die Kunden kommen, weil unser Mobilfunknetz und unser Kabelglasfaser-Netz exzellente Bewertungen erhalten. Auch unser operativer Gewinn legte im vergangenen Quartal stärker zu als bei den zwei Haupt-Wettbewerbern. Beim Wachstum sind wir in Deutschland die klare Nummer 1.

Warum muss dann Ende März Ihr Geschäftsführer für den Privatkundenvertrieb, Peter Walz, gehen?

Ametsreiter Er hat einen sehr guten Job gemacht und ich bin ihm dafür dankbar. In Zukunft werden wir uns neu aufstellen, unsere Kräfte bündeln — und den klassischen mit dem digitalen Vertrieb zusammenlegen. Wir sind Taktgeber der digitalen Revolution in Deutschland. Als solcher müssen aber auch wir uns immer wieder verändern.

Was muss die nächste Bundesregierung tun, damit Deutschland wie von Ihnen gefordert zur zukunftsfähigen Gigabit-Gesellschaft wird?

Ametsreiter Wer nicht wie die Ubers, Amazons und Facebooks dieser Welt die digitale Revolution vorantreibt, der verschläft sie - das gilt auch für das ganze Land. 2025 darf kein Kind mehr die Schule ohne digitales Rüstzeug verlassen - wir brauchen Programmieren als Schulfach - jetzt! 2025 soll das Kapital die jungen Firmen suchen und nicht umgekehrt. Deshalb benötigen wir einen Startup-Pakt zwischen Staat, Wirtschaft und Kapitalgebern. Deutschlands sollte für Startups eines der attraktivsten Länder werden.

Und die Netze?

Ametsreiter Was wir vor allem brauchen ist eine Gigabit-Infrastruktur, Netze mit 1000 Megabit pro Sekunde, im Boden und in der Luft. 100, 200 oder selbst 250 Megabit-Technologien bringen uns nicht in die Gigabit-Gesellschaft. Hier muss auch der Staat die richtigen Investitions-Weichen stellen.

Es flossen doch schon Milliarden.

Ametsreiter Die Förderung hat bisher vor allem den Kupfer- und DSL-Ausbau unterstützt, Glas blieb oft außen vor. Als Ergebnis liegen wir bei der Glasfaserversorgung mit zwei Prozent der Haushalte auf Platz 28 von 32 der OECD-Industriestaaten. Politik und Unternehmen müssen ihr Glasfaser-Engagement verstärken. Wir gehen voran. Und investieren als ersten Schritt zwei Milliarden zusätzlich - ausschließlich in Gigabitnetze und Glasfaser. Aber es braucht auch neue politische Ansätze und Visionen...

Was muss passieren?

Ametsreiter 2025 sollte jeder einen bezahlbaren Gigabit-Anschluss haben. Wir brauchen ein echtes Glasfaser-Programm, das nur noch den Ausbau von Glas direkt in Gebäude unterstützt.

Die geplante neue Koalition will sich da nicht so konkret festlegen.

Ametsreiter Wer G wie Gigabit Zeitalter sagt, muss G wie Glasfaser sagen. Das macht Deutschland nicht nur schneller, sondern bringt Gigabits auch aufs Land. Mit geförderter Glasfaser können Kommunen und Netzanbieter den Ausbau gemeinsam stemmen. Gemeinden bauen dann ihr eigenes Netz vor Ort, Netzanbieter mieten es langfristig. Das bringt den Gemeinden sichere Einnahmen und Einwohnern wie Firmen vor Ort Licht- statt Kriechgeschwindigkeit.

Sollte Deutschland wie Ihr Heimatland Österreich Glasfaser subventionieren, mit denen die Funkzellen des künftigen Mobilfunkstandards 5G angeschlossen werden?

Ametsreiter Ja. Ein früher Start der 5G-Netze wäre gerade im Autoland Deutschland wichtig. Aber ohne Glasfaseranbindung kommt auch kein 5G. Denn die vielen Daten der Mobilfunkstationen müssen unterirdisch abtransportiert werden. Eine Förderung nach österreichischem Vorbild scheint mir weitsichtig und sinnig. Das bringt uns als Land nicht nur in eine Spitzenposition, sondern auch unsere wichtigste Branche: die Autobauer.

Uns wundert, dass Vodafone keine Glasfaseranschlüsse zu Privathaushalten legt, obwohl Sie heftig für diese Technik werben. Ist das Giga-Geiz, um Ihr Lieblingswort aufzugreifen?

Ametsreiter Giga-Einspruch. Wir haben gerade unser erstes Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossen, in Icking auf dem flachen Land in Bayern. Dort liegt inzwischen Vodafone-Glasfaser in den Haushalten. Zunächst entschieden sich nur rund 30 Prozent aller Haushalte dafür, jetzt sind wir bei mehr als zwei Drittel.

Und jetzt?

Ametsreiter Bauen wir darauf auf. Mit unserer GigaGemeinde Initiative wollen wir bis zu eine Million Haushalte auf dem Land ans Glas anschließen. Mit dutzenden Gemeinden sind wir in Gesprächen. Hinzu kommt unser GigaKabel Projekt: Mit ihm machen wir fast ein Drittel aller Deutschen fit für die Gigabit-Gesellschaft - über unser Kabelglasfasernetz. Anfang dieser Woche haben wir unseren ersten Piloten in Landshut und Dingolfing erfolgreich ins Rennen geschickt.

Das bedeutet?

Ametsreiter Wir werden bis 2020 alle unsere Kabel-Haushalte mit einem Übertragungstempo von einem Gigabit versorgen. Im nächsten Ausbauschritt können wir mit der neuen Fullduplex-Technologie sogar zehn Gigabit anbieten - flächendeckend, im Download wie im Upload. Das wird auch nötig sein. Denn schon jetzt wählen zwei von drei Haushalten bereits ein Tempo von mehr 200 Megabit und mehr. Sie sehen: Die Menschen in Deutschland wollen hohe Bandbreiten. Und wollen sie nicht mehr missen.

Umso schlimmer, dass Ihr Ableger Kabel-Deutschland in NRW nicht vertreten ist und Sie hier nur Telekom-DSL weiterverkaufen. Wann kommt endlich die Übernahme des hiesigen Kabel-Betreibers Unitymedia oder eine enge Zusammenarbeit?

Ametsreiter Sie werden verstehen, dass ich derlei nicht kommentieren kann.

Ex-NRW-Ministerpräsident Jürgen Rütters (CDU) bezeichnet Vodafone als "Schwarzfahrer im Glasfasernetz", weil Sie ein denkbares künftiges Glasfasernetz der Telekom günstig ohne eigene Investitionen nutzen wollen. Bekennen Sie sich schuldig?

Ametsreiter Nennen Sie mir einen Schwarzfahrer, der dem Busfahrer jährlich fast eine Milliarde Euro überweist. Der fährt nicht schwarz. Der macht Busfahren für alle bezahlbar. Wir sind für Bonn ein sehr gut zahlender Kunde. Aber es geht hier eigentlich nicht um uns, sondern ums Land, um Deutschlands Zukunft. Die Fragen sind doch: Wollen deutsche Verbraucher ein einziges Unternehmen haben, das ihnen bald die Internetpreise diktiert? Will unsere Politik die Zukunft Deutschlands einem marktdominanten Spieler überlassen, der schon heute 75 Prozent aller Festnetzanschlüsse kontrolliert — und ihn noch mächtiger machen? Im Vergleich: Unser Marktanteil liegt gerade einmal bei rund neun Prozent. Ich glaube: Deutschland braucht kein neues Glasfasermonopol, sondern weiterhin eine gut fungierende Marktwirtschaft. Vor allem auf der Glasfaser.

Sonst wird alles teurer?

Ametsreiter Die von der Telekom auf Vectoring umgerüsteten DSL-Anschlüsse sollen Unternehmen wie uns demnächst bis zu 60 Prozent mehr kosten. Was bei DSL passiert, kann — wenn die Politik die falschen Weichen stellt — auf der Glasfaser erst recht passieren: Konkurrenten können mit überhöhten Großhandelspreisen vom Markt gedrängt werden. Zu Lasten der Verbraucher.

Im letzten Geschäftsjahr investierten Sie mit 1,6 Milliarden Euro rund 15 Prozent des Umsatzes in neue Netze, die Telekom in Deutschland aber mit 4,6 Milliarden Euro rund 20 Prozent. Also sind Sie Nachzügler?

Ametsreiter Falsch. In unserem Festnetzbereich, also bei Kabel, investieren wir schon jetzt mehr als 21 Prozent vom Umsatz. Wir werden in den nächsten vier Jahren aber zwei Milliarden Euro zusätzlich zum regulären Budget für die Gigabit-Offensive ausgeben.

Dann werden Sie also im Schnitt der Jahre auch rund 20 Prozent investieren?

Ametsreiter Sie werden verstehen, dass ich keine detaillierteren Statements zu Geschäfts- und Investitionsentwicklung machen kann. Wichtig ist aber nicht nur wie viel, sondern vor allem worin investiert wird…

Warum?

Ametsreiter Mit unserer neuen Offensive investieren wir statt in Kupfer vor allem in Glas: Knapp eine halbe Milliarde für die Kooperationen mit Kommunen. Rund 1,5 Milliarden Euro, um 100.000 Unternehmen in bis zu 2000 Gewerbegebieten anzuschließen. Allein in Düsseldorf bauen wir gerade Anschlüsse für achtzehn Gebiete, bundesweit ziehen wir aktuell dutzende Verträge an Land. Wir haben gerade erst angefangen, aber wir nähern uns der Gigabit-Gesellschaft mit großen Schritten…

(rky, brö)
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