Energieversorger in der Krise RWE-Aufsichtsrat vor personeller Weichenstellung

Essen · Bei RWE rumort es gewaltig hinter den Kulissen: Angesichts der Krise des Energiekonzerns trommeln die Kommunen für Ex-Bundeswirtschaftsminister Werner Müller als künftigen Aufsichtsratschef. Er soll mit seinen politischen Kontakten das Ruder herumreißen.

Amtsinhaber Manfred Schneider kämpft dagegen für den Ex-SAP-Finanzvorstand Werner Brandt als seinen Nachfolger. In dem Personalstreit könnten diesen Freitag bei der Herbstsitzung des Aufsichtsrats in Essen die Weichen gestellt werden. Offiziell gewählt wird im kommenden Frühjahr.

Bei der Sitzung muss RWE-Chef Peter Terium außerdem den weiter dramatisch fallenden Aktienkurs erklären und Ängste vor weiteren Dividendenkürzungen zerstreuen. Thema dürfte außerdem die geplante Berufung neuer Vorstände für Netze, Erzeugung, Vertrieb und Erneuerbare Energien sein.

Die Kommunen - mit knapp einem Viertel wichtigster RWE-Aktionär - verfolgen die Entwicklung des Unternehmens mit zunehmender Nervosität. Sie sorgen sich vor allem um die Dividenden, die in den knappen Haushalten an der Ruhr längst eingeplant sind. Zuletzt hatte RWE einen Euro pro Aktie gezahlt. Er stelle sich auf Kürzungen auf 50 oder 60 Cent und damit neue Millioneneinbußen ein, sagte Essens Stadtkämmerer Lars Martin Klieve jüngst. Der Chef der Dortmunder Stadtwerke, Guntram Pehlke, kritisierte in der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" als großer Aktionär ungewöhnlich offen die Kommunikation des Vorstands.

Die Sitzung findet am Stammsitz in Essen statt und nicht, wie sonst oft im Herbst, an einem auswärtigen RWE-Standort. Den Verzicht auf Auslandsreisen sehen Beobachter als ein äußeres Zeichen für die extrem schwierige Lage. In der Stromerzeugung brechen RWE die Gewinne immer stärker weg. Gaskraftwerke rechnen sich meist gar nicht mehr, Kohleanlagen immer weniger. Wenn die Entwicklung so weiter läuft, drohen bei den Kraftwerken, dem einstigen Lieblingsgeschäft des Konzerns, in den kommenden Jahren sogar rote Zahlen. Der Einnahmeverlust ist so groß, dass alle Sparprogramme nicht genügen.

Eine von der Branche lange erhoffte Entlohnung für das Bereithalten konventioneller Energie am Energiewende-Strommarkt ist weit und breit nicht in Sicht. Stattdessen gibt es von der Politik neue Klimaschutzauflagen, die zur Abschaltung von mehreren RWE-Braunkohleblöcken führen. Die hatten trotz des abgestürzten Börsenstrompreises immer noch Gewinn gemacht.

Der RWE-Aktienkurs fällt und fällt. Dienstag erreichte er ein neues Jahrestief. Damit hat sich der Wert der RWE-Aktie seit Jahresbeginn mehr als halbiert. Aktuell sorgen sich die Börsianer offensichtlich vor allem um die Atomrückstellungen des Konzerns. Nach mehreren Presseberichten hat ein noch nicht veröffentlichter branchenweiter Stresstest der Atom-Rückstellungen bei ungünstigen Zins-Szenarien Milliardenlücken ergeben. Die Zahlen wurden allerdings später vom Bundeswirtschaftsministerium dementiert.

Schon jetzt hängen die Atomlasten wie ein Mühlstein an RWE: Rund zehn Milliarden Euro betragen die Rückstellungen dafür, die Aktien des Unternehmens sind aktuell aber nicht einmal mehr 7 Milliarden Euro wert. "Das geht doch nicht so weiter", schimpft ein großer kommunaler Aktionär. "Wenn Sie Börsenkapitalisierung und Atomlasten gegeneinander aufrechnen, ist RWE tot."

Von Werner Müller erhoffen sich die Kommunen eine erfolgreiche Sanierung und eine Lösung für die Atomlasten ähnlich wie bei der deutsche Steinkohle. Die hatte Müller über eine Stiftung erfolgreich und geräuschlos abgewickelt. Doch der 69-Jährige ist nicht bereit zu einer Kampfkandidatur gegen Schneiders Kandidaten Brandt, wie es mehrfach in seinem Umfeld hieß. Die Gewerkschaft IG BCE unterstützt Müller. Bis zum Freitag seien noch zahlreiche Gespräche zu führen, hieß es aus dem Umfeld der Gewerkschaft.

(lnw)
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