ARD-Reportage Schwere Vorwürfe gegen Amazon

Ein rechtsradikaler Sicherheitsdienst, Ausbeutung von Leiharbeitern, ein System, das Mitarbeiterrechte mit Füßen tritt und auf Angst und Überwachung aufgebaut ist. Eine ARD-Reportage erhebt schwere Vorwürfe gegen den Online-Versand Amazon.

ARD-Film deckt Amazon-Praktiken auf
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Am Mittwochabend schildert die ARD in einer Reportage zu später Stunde die Zustände beim größten Onlineversand der Welt. Demnach wirbt Amazon zur weihnachtlichen Hochsaison über 10.000 Leiharbeiter im Ausland an und beschäftigt sie zu unwürdigen Bedingungen. Der Film trägt den Titel: "Ausgeliefert. Leiharbeiter bei Amazon".

Auch von betrugsähnlichen Verfahren ist die Rede. In seinen Anzeigen verspreche Amazon den Menschen mehr, als es nachher halte. Verträge gebe es am Ende nicht bei Amazon, sondern mit Leiharbeitsfirmen zu deutlich verringerten Bezügen von neun Euro brutto die Stunde. Das Prinzip: Hire and fire. Wer nicht mehr benötigt wird, wird vor die Tür gesetzt.

Überwachung rund um die Uhr

Mit versteckter Kamera begleiteten die Journalisten Diana Löbl und Peter Onneken die Arbeitskräfte. Sie kommen aus ganz Europa. Rumänien, Spanien, Schweden, Polen. Für ihre Zeit in Deutschland werden sie in Teilen eines verlassenen Ferienparks untergebracht, 20 Kilometer weit vom Arbeitsplatz im Logistikzentrum in Bad Hersfeld entfernt, sieben Menschen pro Hütte.

Das System Amazon — so der Vorwurf — kontrolliert seine Arbeitskräfte rund um die Uhr. "Sie können alles hören, sie sind immer da, gehen in die Häuser, wenn die Leute nicht da sind, wenn sie schlafen, wenn sie duschen", erzählt eine Frau in gebrochenem Deutsch den Reportern. Sie ist die einzige, die sich traut, offen zu reden. Andere Gesichter sind in dem Film in der Regel unkenntlich gemacht.

Wie Gefangene

Angst und ständige Überwachung spielen dem Bericht zufolge eine tragende Rolle in den Siedlungen der Leiharbeiter. Privatsphäre — Fehlanzeige. Zum Schichtbeginn werden sie gesammelt in Bussen an den Arbeitsplatz gekarrt, danach wieder zurück. Bewacht werden sie von einem privaten Sicherheitsdienst. Einige Arbeiter fühlen sich bedroht. Sie fühlen sich wie Gefangene, heißt es.

Auch die Reporter machen mit dem Wachpersonal unangenehme Erfahrungen. Bei Dreharbeiten werden die Security-Leute handgreiflich. Auch als die Kamera die Kleidung der Männer filmt, gibt es Ärger. Die Kapuzenpullis tragen das Logo der Marke Thor Steinar, die vor allem in rechtsradikalen Kreisen geschätzt wird. Anderswo bekommen Leute mit solcher Kleidung keinen Zutritt, etwa bei Spielen der Bundesliga. Übrigens: Der Sicherheitsdienst firmiert auch noch unter dem Namen "Hess".

Vorwürfe auch in Rheinberg

Sowohl Amazon als auch der Sicherheitsdienst wollen sich zu den Vorwürfen bisher nicht nicht äußern. Stattdessen spricht Verdi-Mann Heiner Reimann. Schon mehrfach seien ihm Beschwerden über die Überwachung bei Amazon zu Ohren gekommen. Es sei "befremdlich beschämend und beängstigend, dass eine so große Firma wie Amazon so agiert", sagt er.

Der Online-Händler Amazon steht schon länger unter Beschuss. Auch unter deutschen Angestellten sind bereits zahlreiche Klagen über unhaltbare Arbeitsbedingungen laut geworden.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi beklagte im vergangenen Jahr auch beim Logistikzentrum in Rheinberg "menschenwürdige Arbeitsplätze, Arbeitshetze und Leistungsdruck unter permanenter Überwachung." Dort läuft inzwischen das Verfahren zur Bildung eines Betriebsrates, Amazon zeigte sich dabei durchaus kooperativ.

(pst)
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