BGH-Urteil: Verträge sind sittenwidrig Schwere Zeiten für Wahrsager und Kartenleger

Karlsruhe (RPO). Wahrsager, Kartenleger und andere angeblich mit übernatürlichen Kräften versehene Lebensberater müssen bei ihrem Geschäft mit der Zukunft künftig empfindliche Einbußen in Kauf nehmen. Ihre Honorarverträge sind sittenwidrig und nichtig, wenn sie mit Kunden in "schwierigen Lebenssituationen" oder psychisch labilen Menschen abgeschlossen wurden, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in einem am Donnerstag in Karlsruhe verkündeten Urteil. Geschädigte können dann gezahlte Gelder zurückverlangen.

Im vorliegenden Fall hatte ein Messebauer nach der Trennung von seiner Freundin solch großen Liebeskummer, dass er eine Kartenlegerin im Raum Stuttgart aufsuchte, die "Life-Coaching" anbot und mit ihren angeblich übernatürlichen Fähigkeiten warb. Nach den Worten seines Anwalts Alfred Steudel wurde der Mann dann aber von der Frau "wie in einer Sekte" in ihre Welt hinein gezogen und "wie eine Weihnachtsgans ausgenommen": 2008 zahlte er mehr als 35.000 Euro dafür, dass seine Freundin zu ihm zurückkehren sollte.

Erst Anfang 2009 kam der Mann nach einer Sektenberatung der Stuttgarter Aktion Bildungsinformation zur Besinnung und verweigerte die Zahlung von weiteren knapp 7000 Euro. Die Kartenlegerin suchte deshalb weltliche Hilfe und zog vor Gericht. Ihre Tätigkeit falle unter die Berufsfreiheit, und für ihre Leistung könne sie ebenso Geld verlangen wie etwa ein Priester, der ein Haus mit Weihwasser segnet, argumentierte ihr Anwalt vor dem BGH.

Das Gericht stimmte dem zunächst grundsätzlich zu: Ist ein Kunde, der magische Leistungen einkauft, sich seines irrationalen Verhaltens bewusst, muss er wegen der gesetzlich geschützten Vertragsfreiheit dafür auch bezahlen. Dies gilt allerdings nicht, wenn Leichtgläubige oder Menschen in schwierigen Lebenssituationen solche Verträge schließen, entschied der BGH.

Nun muss das Landgericht Stuttgart dem Urteil zufolge prüfen, ob die Kartenlegerin die Zwangslage und das mangelnde Urteilsvermögen ihres Kunden ausgebeutet und damit gegen "die guten Sitten" verstoßen hat.

(AZ: III ZR 87/10)

(AFP/felt)
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