Hängepartie? Sorge um VW nach Piëchs Abgang

Berlin/Hannover · Nach dem Rücktritt Ferdinand Piëchs als Chefkontrolleur von Volkswagen warnen Politiker vor einer Hängepartie bei der Neubesetzung. Branchenexperten sehen das VW-Sparprogramm in Gefahr.

Das ist Ferdinand Piëch
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Der überraschende Rückzug des Firmenpatriarchen Ferdinand Piëch aus der Spitze des Volkswagen-Aufsichtsrates hinterlässt ein Machtvakuum in Europas größtem Autokonzern. Weil der Konzern derzeit bei seiner Kernmarke VW ein milliardenschweres Sparprogramm stemmen und wichtige Weichen für die Zukunft stellen muss, werden Sorgen vor einer Phase der Unsicherheit laut: "Eine Hängepartie in der Führung kann sich VW nicht leisten. Der Konzern braucht so schnell wie möglich einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden", sagte Unionsfraktionsvize Michael Fuchs.

Der Duisburger Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer warnte vor den Folgen eines möglichen Anteilsverkaufs durch Piëch, der zugleich VW-Großaktionär ist: "Dann könnten die Gewerkschaften ihren Einfluss bei VW ausbauen und Sparmaßnahmen blockieren." Der frühere IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber hat kommissarisch den Aufsichtsratsvorsitz übernommen. Der 78-jährige Piëch war am Samstag mit sofortiger Wirkung als Aufsichtsratschef zurückgetreten.

Er zog damit die Konsequenz aus seinem gescheiterten Versuch, die vorzeitige Ablösung von Vorstandschef Martin Winterkorn durchzusetzen. Die Familie Porsche, das Land Niedersachsen und die Arbeitnehmer im Aufsichtsrat waren ihm jedoch nicht gefolgt und hatten sich hinter Winterkorn gestellt.

Huber sprach von einem Konflikt zwischen Piëch und dem Rest des Aufsichtsrats-Präsidiums, "der sich in den letzten Tagen als nicht mehr lösbar erwiesen hat". Die Diskussion der vergangenen Wochen sei "schädlich gewesen für Volkswagen", sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD). Das Land hält 20 Prozent der VW-Anteile. Bei der Wahl eines neuen Aufsichtsratschefs gebe es keinen Grund zur Eile. Das Management sei voll funktionsfähig.

Die Familien Porsche und Piëch kontrollieren über die Gesellschaft Porsche SE 50,7 Prozent der Stimmrechte bei VW. Dudenhöffer befürchtet nun, dass Piëch auch als Aktionär aussteigen könnte: "Das wäre die Konsequenz aus dem verlorenen Machtkampf, und Piëch war immer sehr konsequent", sagte er. Gegenwärtig sei Piëchs Anteil rund fünf Milliarden Euro wert. Sollte die Familie angesichts dieses enormen Kaufpreises auf ihr Vorkaufsrecht verzichten, "droht die Porsche SE als VW-Mehrheitsaktionär auszufallen", warnte Dudenhöffer. "Dann gewinnt bei VW wieder die Verteilungsmentalität der Gewerkschaften Oberwasser."

SPD-Fraktionsvize Axel Schäfer sieht VW dagegen in guten Händen: "Der kommissarische Aufsichtsratschef, der Ministerpräsident und der Betriebsratsvorsitzende sind allesamt Sozialdemokraten. Bei denen ist VW gut aufgehoben."

Der Vertrag des 67-jährigen Winterkorn läuft noch bis Ende 2016. Das Aufsichtsratspräsidium hat sich für eine Verlängerung ausgesprochen. Dagegen bietet der Rückzug Piëchs nach Ansicht von Aktionärsschützern die Chance für einen Wechsel. "Jetzt wäre es an der Zeit, dass Martin Winterkorn den Aufsichtsratsvorsitz übernimmt und in der Geschäftsführung ein Generationswechsel stattfindet", sagte Ulrich Hocker, Präsident der Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

(mar)
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