Stephan Kohler im Interview "Für alte Kohlekraftwerke darf es kein Geld geben"

Der Chef der Deutschen Energie-Agentur erklärt, was jetzt die nächsten Schritte sein müssen, damit die Energiewende gelingt.

Stephan Kohler ist Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur.

Stephan Kohler ist Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur.

Foto: picture-alliance/ dpa

Nach der EEG-Reform ist vor der Reform: Was muss die Bundesregierung jetzt weiter tun, um die Energiewende zu retten?

Kohler Die Regierung muss bald eine weitere EEG-Reform auf den Weg bringen. Mit dieser Reform muss sie das bisherige System der staatlichen Abnahmeverpflichtung des Ökostroms beenden. Künftig sollen die benötigten Ökostrom-Mengen ausgeschrieben werden. Betreiber von Öko-Anlagen werden künftig verpflichtet, sich ihre Kunden selbst zu suchen und nur dort Anlagen zu bauen, wo auch Stromnetze vorhanden sind. Die vielen neuen Windräder im Norden von Deutschland nützen uns gar nichts, wenn wir den Strom hinterher abregeln müssen, weil die Stromleitungen in den Süden fehlen.

Wie sichern wir die Energieversorgung, wenn die Sonne mal nicht scheint und der Wind nicht weht?

Kohler Ganz wichtig ist, dass wir bis zur nächsten Sommerpause 2015 einen Gesetzentwurf zur Einführung von Kapazitätsmärkten haben. Darin muss geregelt werden, für welche konventionellen Kraftwerke die Energieversorger wie viel Geld allein dafür von uns Verbrauchern bekommen sollen, dass sie ihre Kraftwerke bereithalten, um Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Da sollen aber nur Kraftwerke teilnehmen dürfen, die einen festgelegten Mindestwert an CO2-Emissionen unterschreiten. Alte Kohlekraftwerke mit einem Wirkungsgrad von nur 30, 35 Prozent werden so ausgeschlossen. Einbeziehen müssen wir in die Kapazitätsmärkte auch Industriebetriebe, die ihre Nachfrage steuern können, und in bestimmten Zeiten weniger Strom nachfragen oder Strom speichern.

Droht im Winter ein Blackout, weil so viele Kohle- und Gaskraftwerke nicht mehr rentabel sind und deshalb stillgelegt werden?

Kohler Schon im Winter 2015/16 gibt es in Süddeutschland Engpässe bei der Energieversorgung, weil Atomkraftwerke dort abgeschaltet werden und gleichzeitig die Stromautobahnen in den Süden noch nicht gebaut sind. Wir müssen deshalb in bestimmten Zeiten Kraftwerke aus dem Ausland nutzen, um die Versorgung sicherzustellen. Was aber nicht sein kann ist, dass wir das Atomkraftwerk Grafenrheinfeld abschalten und dann Strom aus dem ältesten französischen AKW in Fessenheim beziehen müssen.

Machen Sie sich große Sorgen, dass wir den Netzausbau nicht rechtzeitig schaffen werden bis zum kompletten Atomausstieg im Jahr 2022?

Kohler Ja, klar mache ich mir Sorgen. Von geplanten 4400 neuen Netzkilometern sind bisher gerade mal 330 gebaut worden. Ich verstehe es in keiner Weise, dass nun der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer den längst verabschiedeten Netzausbauplan wieder an entscheidender Stelle infrage stellt und den Verlauf einer für Bayern enorm wichtigen Stromautobahn ändern oder sie sogar ganz verhindern will. Das wirft uns beim Netzausbau zeitlich entscheidend zurück. Den Politikern und den Bürgern muss klar sein, dass die Energiewende einen massiven Eingriff auch in unsere Kultur- und Naturlandschaft bedeutet.

BIRGIT MARSCHALL FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(mar)
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