Alles andere als ein Vorzeigeprojekt Baubeginn bei Stuttgart 21

Stuttgart · Seit Jahren wird geplant, jetzt haben die Bauarbeiten am umstrittenen Tiebahnhof begonnen. Die Proteste rund um das Mammutprojekt Stuttgart 21 bleiben. Eine Versöhnung mit den Gegner ist nicht in Sicht.

Stuttgart 21: Baubeginn des Vorzeigeprojekts, das keines ist
Foto: dpa, skh cul

Das Ausheben einer Baugrube ist für Bauherren meist ein Grund zum Feiern. Es gibt einen symbolischen Spatenstich, ein Band wird durchgeschnitten, Sektkorken knallen, wenn die Bagger endlich rollen dürfen. Jahrzehnte hat die Deutsche Bahn als Bauherrin des umstrittenen Milliardenprojekts Stuttgart 21 auf diesen Moment gewartet - doch vom Feiern ist am Dienstagvormittag nichts zu spüren.

Zwar beginnen die Bauarbeiten am neuen Tiefbahnhof - dem Herzstück von Stuttgart 21. Aber die Politik schweigt, die Gegner protestieren, und die Bahn bleibt bescheiden. Vieles deutet darauf hin, dass der neue unterirdische Bahnhof ein Zankapfel bleiben wird.

Baubeginn ohne Aufsehen

Anders als zunächst geplant belässt es die Deutsche Bahn an diesem historischen Tag im Stuttgarter Talkessel bei einer Pressekonferenz in ihrem Hauptquartier. Vor viereinhalb Jahren, beim symbolträchtigen Versetzen des Prellbocks 049, waren noch der damalige Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Bahnchef Rüdiger Grube in die Landeshauptstadt gereist.

Diesmal gibt es kaum stolze Gesichter. Die Fachleute leiern regelrecht den Stand der Bauarbeiten herunter, unterbrochen werden sie von "Lügenpack"-Rufen der Projektgegner und vom Dröhnen der Bagger in der nahen Baugrube. Konzentriert berichten die Experten von Randkelchen und Schwindgassen - aber auch davon, dass "selbstverständlich" Ende 2021 die ersten Züge in den Bahnhof fahren. Das Vorhaben kostet bis zu 6,5 Milliarden Euro. Allerdings dürfe jetzt nichts mehr dazwischen kommen, damit der Zeitplan gehalten werde, mahnt Projektsprecher Wolfgang Dietrich.

"Deutschlands teuerster Bahnhof"

Den Superlativ "Deutschlands teuerster Bahnhof" hört die Bahn gar nicht gerne, schließlich entfielen nur zehn Prozent der 6,5 Milliarden Euro auf den eigentlichen Tiefbahnhof am Schlossgarten. Das Teure seien die 30 Kilometer Tunnel bis dahin und weitere Bahnhöfe etwa am Stuttgarter Flughafen. Apropos Flughafen: Berlins Pannen-Airport BER wird mit einem Finanzrahmen von zuletzt 5,4 Milliarden Euro ähnlich teuer.

Rund 600 Projektgegner versammeln sich am Dienstag an der Baugrube im Stuttgarter Schlossgarten. Dort, wo es vor inzwischen vier Jahren zur Konfrontation mit der Polizei gekommen war. Die Demonstranten wollten teils uralte Bäume schützen - und mussten am Ende ihren Park hergeben. Zehntausende waren es damals. Die Bilder gingen um die Welt, vor allem die vom "Schwarzen Donnerstag" Ende September 2010:
Bevor die ersten Bäume fielen, wurden bei einem Polizeieinsatz weit mehr als hundert Menschen durch Pfefferspray und Wasserwerfer verletzt.

Auch die Politik schweigt

Am Tag des Baustarts für das Milliardenprojekt ist auch die Politik seltsam still. Die seit 2011 in Baden-Württemberg regierenden Grünen lehnen das Vorhaben nach wie vor ab - ihr Verkehrsminister Winfried Hermann schweigt dann auch am Dienstag. Und was macht die CDU, die mit dem Pro-Stuttgart-21-Votum bei der Volksabstimmung Ende 2011 im Rücken eigentlich triumphieren könnte?

Zaghaft sind auch hier die Reaktionen. CDU-Landeschef Thomas Strobl schreibt schließlich: Man sollte die Auseinandersetzungen der Vergangenheit endlich hinter sich lassen und gemeinsam nach vorne blicken - "damit alle Beteiligten zusammen das Beste für die Menschen hier im Land und in Stuttgart herausholen".

Der Landtag versucht noch heute die Hintergründe des "Schwarzen Donnerstags" aufzuarbeiten. Im Raum steht nach wie vor die Frage, ob die Polizei auf Wunsch des damaligen CDU-Ministerpräsidenten Stefan Mappus einst mit harter Hand gegen die Projektgegner vorging. Auch die protestierenden Bürger wollen nicht locker lassen - die nächste Demo in der Innenstadt ist schon angekündigt.

(dpa)
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