Interview mit René Obermann und Timotheus Höttges Telekom rudert bei Tempo-Drosselung zurück

Bonn · Der scheidende und der künftige Vorstandschef der Deutschen Telekom, René Obermann und Timotheus Höttges sprechen im Interview mit unserer Redaktion über die geplante Internetdrosselung, den Aktienkurs, die Konkurrenz durch Internetriesen und die Zukunft des Unternehmens.

Internet spottet über die Telekom
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Herr Obermann, Streit um die Internetdrosselung, harte Regulierung, Aktienkurs — sind Sie froh, dass Sie den Telekom-Chefposten abgeben?

Obermann Warum? Ich habe das, was ich mir bei der Telekom vorgenommen habe, bislang erreicht, und ich stecke noch mitten in der Arbeit: Diese Tage bin ich in Israel und spreche mit jungen Technologie-Firmen. Oder nehmen Sie den Netzausbau, wo wir uns noch einiges gemeinsam vorgenommen haben. Ich will mit Tim Höttges den Führungswechsel so gut wie möglich vorbereiten und werde dem Unternehmen bis Ende des Jahres engagiert zur Verfügung stehen.

Herr Höttges, Sie sind im Windschatten von Herrn Obermann aufgestiegen. Wie schwer ist es für Sie, sich künftig allein zu behaupten?

Höttges Natürlich ist es eine Umstellung: 13 Jahre haben René Obermann und ich eng zusammengearbeitet. Das ist schon einmalig, immer einen Sparringspartner zu den wichtigsten Fragen zu haben.

Obermann Wir haben oft heftig diskutiert und uns dabei nichts geschenkt, und genau deshalb haben wir uns auch perfekt ergänzt.

Höttges Aber ich habe keine Sorge, wir als Vorstand sind ein Team, das die Telekom weiter erfolgreich führen wird.

Beim Amtsantritt haben Sie, Herr Obermann, angekündigt, dass Sie den Aktienkurs nach oben treiben wollen. Das klappte nur leidlich.

Obermann Einspruch, ich habe das anders formuliert: Ich hatte mir beim Amtsantritt vorgenommen, zu den Konkurrenten in der Wertentwicklung aufzuschließen. Und das Ergebnis: Kein vergleichbarer Telekommunikationskonzern Europas hat sich seitdem besser entwickelt als wir. Die Telekom hängt die vergleichbare Konkurrenz klar ab.

Höttges (zeigt Aktiencharts auf einem iPad) Viele schauen nur auf den Kurs und vergessen die Dividende. Dabei macht die Dividende bei Unternehmen wie der Telekom einen bedeutenden Teil der Erträge aus. Insgesamt haben unsere Aktionäre seit Anfang 2010 eine Rendite von mehr als 15 Prozent erzielt.

Viele Anleger, die einst für 50 oder 100 Euro Telekom-Aktien gekauft haben, sehen das anders. Die Aktie ist heute gerade neun Euro wert...

Obermann Viele, die vor zwölf Jahren auf dem Höhepunkt der New Economy Blase gekauft haben, haben bei Unternehmen massiv Geld verloren. Ich verstehe die Frustration dieser Anleger. Umso wichtiger, dass sie bei der Telekom immer eine gute Dividende bekommen haben.

Herr Höttges, Ihr Ziel für die T-Aktie?

Höttges Wichtig ist mir Vertrauen in Unternehmen und Aktie. Gerade haben die Aktionäre für rund 40 Prozent der Aktien davon Gebrauch gemacht, sich die Dividende statt in bar in Aktien auszahlen zu lassen. Sie erkennen damit unsere Arbeit an. Wohin ich den Kurs der T-Aktie bringen will? Eine Zielgröße kann ich nicht nennen, denn der Kurs hängt von der Entwicklung am Kapitalmarkt, der Regulierung und dem Wettbewerb ab. Ich orientiere mich wie René Obermann auch an der Wertentwicklung gegenüber den europäischen Wettbewerbern.

Obermann Tim Höttges wird als Vorstandschef viel Wert auf operative Exzellenz legen. Er wird bei unseren Tochterfirmen und bei allen Aktivitäten genau nachhaken, ob vereinbarte Ziele erreicht werden. Ich sehe den Konzern in guten Händen.

Auf der Hauptversammlung haben Sie, Herr Obermann, gesagt, Sie bleiben der Telekom verbunden. Wollen Sie Aufsichtsrats-Chef werden?

Obermann Darüber dachte ich noch nie nach. Ich bleibe der Telekom als Aktionär verbunden. Ansonsten bin ich die nächsten zehn bis 20 Jahre Unternehmer und Manager.

Und, Herr Höttges, wie würden Sie einen Aufsichtsrats-Chef René Obermann finden?

Obermann (lacht) Da hättest du wohl Schweißperlen auf der Stirn …

Höttges Ach Quatsch. Einem Vorstandschef kann nichts Besseres passieren, als Aufsichtsräte mit tiefer Unternehmenskenntnis zu haben. Unabhängig davon: Die Frage stellt sich nicht. Wir sind einer Meinung: Herr Lehner ist ein sehr guter Aufsichtsrats-Vorsitzender, und sein Mandat wurde gerade verlängert.

Für Ärger sorgte die Telekom mit ihrem Vorschlag, die Geschwindigkeit im Internet zu drosseln, wenn Nutzer bestimmte Obergrenzen überschreiten. Rechneten Sie mit der Kritik?

Obermann Wir haben immer gesagt, dass es auch weiter Flatrates geben wird, aber vielleicht etwas teurer als heute. Dass die Netzgemeinde sensibel ist, das wissen wir. Deren Reaktion haben wir erwartet. Nicht erwartet haben wir die widersprüchlich populistische Reaktion mancher Politiker. Sie fordern, dass wir in den Netzausbau viele Milliarden investieren. Sie ignorieren aber, dass diese Milliarden-Investitionen zurückverdient werden müssen. Sie fördern lieber Google und Co. statt die heimischen Netzbetreiber.

Höttges (energisch) Kein Unternehmen investiert mehr in Deutschland als wir mit jährlich 3,4 Milliarden Euro. Wir nehmen allein sechs Milliarden Euro in die Hand, um 24 Millionen Haushalten ein Übertragungstempo von bis zu 100 Megabit anzubieten. Unsere Ingenieure bauen die besten Netze. Absurd, dass dies nicht gewürdigt, sondern stattdessen Wahlkampf auf unserem Rücken ausgetragen wird.

Wäre es nicht fair, Kunden Rabatt zu geben, die besonders wenig im Web surfen?

Obermann Genau das wollen wir doch. Dabei kämpfen wir um jeden Kunden mit dem richtigen Angebot. Wie gesagt: Es wird ab 2016 weiter Flatrates geben, für Intensivnutzer, aber auch günstigere Tarife mit immer noch großzügigen Datenpaketen. Wie groß die sein werden, können wir heute noch nicht sagen.

Was heißt das?

Höttges Wenn die neuen Regeln ab 2016 in Kraft treten, schauen wir uns genau an, welche Kunden was wollen und nutzen. Wenn der Durchschnittsnutzer dann wegen des Videobooms viel mehr Datenvolumen benötigt als aktuell, wird das Inklusivvolumen eben erhöht. Zweitens werden künftig deutlich mehr Kunden schnellere Anschlüsse mit 50 oder 100 Megabit/Sekunde buchen — und die erhalten ja dann sowieso höhere Datenvolumen inklusive.

Sie wollen Onlineanbietern für eine Gebühr anbieten, ihre Daten so wie den Telekom-TV-Dienst "Entertain" ohne Anrechnung auf das Datenvolumen der Kunden durchzuleiten. Bevorzugt das nicht große Konzerne?

Obermann Nein, im Gegenteil: Wir haben hohes Interesse, solche Kooperationen gerade mit kleinen und innovativen Unternehmen abzuschließen. Startups und ihre Ideen machen unser Angebot attraktiv. Es geht nicht um hohe Fixkosten, sondern bestenfalls um moderate Umsatzbeteiligungen, die zur Kofinanzierung beitragen können.

Giganten wie Google/Youtube werden mit Ihnen Großkundenrabatte aushandeln und so kleine Wettbewerber ausbremsen.

Obermann Ganz sicher nicht: Unser Angebot wird gerade für kleine und mittlere Unternehmen immer günstig sein. Ohnehin stehen wir hinter dem Prinzip der Netzneutralität und der Innovationsförderung.
Höttges Niemand hat mehr Interesse an einem florierenden Internet als wir. Aber wir müssen mit Inhalteanbietern neue Geschäftsmodelle mit differenzierten Qualitätsstufen einführen dürfen, um den Kundenwünschen in der Zukunft gerecht zu werden.

Für Ärger sorgten auch Überlegungen Ihres Hauses, in neuen Gebieten auf dem Land kein Festnetz mehr zu legen.

Obermann Das ist absoluter Blödsinn und deswegen sind wir gegen diese falschen Behauptung auch juristisch vorgegangen. Wir sind der einzige Festnetzbetreiber, der bundesweit auch im ländlichen Raum seine Netze ausbaut. Daran wird sich nichts ändern, im Gegenteil unsere Ziele hab ich Ihnen ja eben beschrieben.

Gemessen an früheren Skandalen sind all dies jedoch kleine Probleme …

Obermann Darum wundert mich die Aufgeregtheit auch. Aber es stimmt: Als ich anfing, habe ich mich stark mit Restrukturierung, Standortschließungen, Stellenabbau und der Aufarbeitung von Skandalen befassen müssen. Das ist zum Glück mittlerweile anders. Heute geht es um Innovationen, um Service und um Kunden. Die Telekom ist — im guten Sinne — ein normales Unternehmen geworden.

Wer wird 2014 Innovationsvorstand, was jetzt auch Herr Obermann ist?

Höttges Diese Aufgabe werde ich genauso übernehmen. Bezahlen mit dem Handy, die Sicherheit unserer Daten, das vernetzte Auto — da tut sich gerade unheimlich viel, und das finde ich spannend und faszinierend zugleich. Für die Telekom und für mich persönlich sind Innovationen fundamental wichtig.

Herr Höttges, Sie sitzen im Aufsichtsrat von Bayern München, weil die Telekom Trikotsponsor ist. War es richtig, dass der Aufsichtsrat Bayern-Präsident Uli Hoeneß trotz privater Steuerhinterziehung im Amt ließ?

Höttges Vorweg: Für uns als Sponsor war die abgelaufene Saison das erfolgreichste Jahr unserer Zusammenarbeit. Wir hatten Traumquoten, und bis heute erreichen uns Anfragen von Fans, wie sie an das Trikot mit dem Triple-Schriftzug kommen. Dass der Aufsichtsrat nach gründlicher Abwägung aller Argumente entschieden hat, an Herrn Hoeneß festzuhalten — dazu stehe ich. Im Übrigen sind Aufsichtsrats-Angelegenheiten vertraulich.

Wo steht die Telekom in zehn Jahren?
Obermann In zehn Jahren haben wir weltweit fünfzig Milliarden Geräte am Netz, das Datenvolumen im Mobilfunk ist um das Tausendfache gestiegen, die Sicherheitsanforderungen sind enorm komplex, um nur einige Herausforderungen der Zukunft zu nennen.

Höttges … und in dieser Welt wird die Telekom ein wichtiger Anbieter sein. Wir haben einige gigantische Internetkonzerne aus den USA, wir haben nur noch wenige Techniklieferanten — um da gegenzuhalten, wird es in Europa noch große Zusammenschlüsse geben müssen. Und weil unser Börsenwert sich deutlich besser entwickelt hat als der unserer Wettbewerber, sind wir gut aufgestellt.

Müssen Sie in den nächsten Jahren weiter Personal abbauen?

Höttges Es geht nicht um Personalabbau, sondern um Personalumbau, dafür geben wir jedes Jahr über eine Milliarde Euro aus. Wir stellen junge Leute ein — wir sind Deutschlands größter Ausbilder —, wir qualifizieren unsere Mitarbeiter weiter und, ja, wir bauen auch Arbeitsplätze ab, aber seit Jahren höchst sozialverträglich. Das ist bei einem ehemaligen Staatsunternehmen eine Generationenaufgabe.

Das Gespräch führten Reinhard Kowalewsky und Antje Höning.

(das/csr/csi)
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