Debakel bei Offshore-Windenergie Tennet weist Blockade-Vorwurf zurück

Berlin · Die Offshore-Windparks in der Nordsee stehen - doch sie liefern keinen Strom. Denn der verantwortliche Netzbetreiber Tennet schafft es nicht, die Windräder an das Stromnetz anzuschließen. Das bremst Investitionen - ein Großprojekt wird gestoppt. Tennet wiederum verweist auf die unklare Gesetzeslage.

Diese Arten der Stromerzeugung gibt es
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Der Ausbau der erneuerbaren Energien wird mit Hochdruck vorangetrieben, Windrad um Windrad steht in der Nordsee. Strom liefern sie allerdings keinen. Der Grund: Der Anschluss ans Stromnetz fehlt.

Das Unternehmen Tennet der staatlichen niederländischen Netzgesellschaft ist für die Anbindung der Windparks in der Nordsee ans Stromnetz zuständig. Dazu fehlt Geld, was als großes Hindernis bei der Energiewende gilt.

Tennet hat nun die Verantwortung für den Verzug beim Ausbau der Offshore-Windparks zurückgewiesen. Das Investitionstempo von Tennet sei zweimal so hoch wie das der Windbranche, sagte Tennet-Vorstand Lex Hartmann am Montag im ARD-"Morgenmagazin". Hartmann forderte von der Bundesregierung einen Plan für den Ausbau und eine klare Haftungsregelung.

Dong stoppt Windparks vor Dortmund

Derweil gab es einen weiteren Rückschlag für die Ausbau-Pläne: Der dänische Energiekonzern Dong stoppt den milliardenschweren Bau eines Windparks vor der Nordseeinsel Borkum. "Wir sind gezwungen, Entwicklung und Bau des Projekts Borkum Riffgrund II auszusetzen", sagte der Deutschland-Chef von Dong Energy, Christoph Mertens. Da der Netzbetreiber Tennet kein Datum für den Anschluss des Parks ans Stromnetz genannt habe, könne Dong den Netzbetreiber nicht zur Verantwortung ziehen, wenn die Anlagen nach Fertigstellung nicht angeschlossen würden, erläuterte eine Dong-Sprecherin. Das Unternehmen bestätigte damit einen Bericht des Magazins "Der Spiegel".

Auch der Energiekonzern RWE hatte bereits im Juli dieses Jahres ein Projekt gestoppt - auch RWE verwies auf die unklare Gesetzeslage zur Haftungsregelung.

Eine Gesetzesnovelle zu Windparks auf See soll am Montag bei einer Anhörung im Bundestag mit Experten und Lobbyisten beraten werden. Die Firmensprecherin sagte, Dong werde nun stattdessen ein Projekt in Großbritannien vorziehen. Das Unternehmen strebe eine Einigung mit den Zulieferern für Riffgrund II an, denen nun entsprechende Aufträge entgehen.

Nicht äußern wollte sie sich zu Informationen des Magazins, wonach Dong die Bestellung von 97 Windrädern bei Siemens vorläufig storniert habe. Von Siemens war zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.

Der rechtliche Rahmen fehlt

Riffgrund II wäre das zweite von insgesamt sechs Offshore-Vorhaben des dänischen Konzerns gewesen. In den Windpark mit einer veranschlagten Leistung von 340 Megawatt - etwa ein Drittel der Leistung eines Atomkraftwerks - wollte Dong 1,3 Milliarden Euro investieren.

Für den Schwesterprojekt Riffgrund I mit einer Investitionssumme von 1,2 Milliarden Euro und einer geplanten Leistung von 277 Megawatt haben die Vorbereitungen an Land bereits begonnen. Die Arbeiten auf See sollen nach Angaben der Sprecherin im Sommer 2013 starten. "Wir glauben weiterhin an den deutschen Offshore-Wind-Markt, deshalb bleibt Deutschland ein wesentlicher Teil unserer Strategie", erklärte Mertens.

Ein Sprecher von Tennet wollte sich zu der Auseinandersetzung mit Dong nicht äußern. Der niederländische Konzern sieht die Politik in der Pflicht, für klare Rahmenbedingungen zu sorgen. "Es ist kein Geheimnis, dass Netzbetreiber und potenzielle Investoren auf eine Entscheidung der deutschen Regierung warten", erklärte der Sprecher. "Tennet sucht nach Co-Investoren für diese Offshore-Aktivitäten, aber diese investieren nicht, bevor die Regierung den rechtlichen Rahmen geklärt hat."

Unterstützung aus den USA

Der Betreiber des größten Stromnetzes in Deutschland, das früher dem Energieriesen Eon gehörte und von der Nordsee bis zu den Alpen reicht, steht wegen der enormen Herausforderungen beim Bau der Leitungen und Umspannanlagen im Meer bereits seit einiger Zeit unter Druck.

Unterstützung könnte Tennet aus den USA erhalten: Das US-Unternehmen Anbaric will dem Netzbetreiber mit mindestens vier Milliarden Euro bei der Netzanbindung von Offshore-Windparks unter die Arme greifen, zitierte das "Handelsblatt" Anbaric-Chef Edward Krapels. Man habe bereits potente Investoren hinter sich versammelt und Gespräche mit Tennet, der Bundesregierung und der EU-Kommission geführt. "Wir würden Tennet gerne helfen."

Ziel sei es, sich mit 70 oder 80 Prozent an zunächst vier Netzanbindungsprojekten zu beteiligen. "Wir wollen nicht das operative Geschäft übernehmen, aber wir wollen mit unserem Know-how den anderen Investoren Sicherheit geben."

Anbaric hatte Anfang Oktober Medienberichte dementiert, wonach der Konzern das deutsche Stromnetz von Tennet übernehmen wolle.

(dpa/Reuters)
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