Hauptversammlung in Bochum ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger im Sturm

Bochum · ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger stellt sich auf der Hauptversammlung in Bochum dem Zorn der Aktionäre. Vor drei Jahren hatte er dem Konzern bessere Zeiten versprochen. Nun räumt er taktische Fehler ein. Um die Korruptionsfälle in den Griff zu kriegen, schafft der der Konzern einen neuen Vorstandsposten für gute Unternehmensführung.

 Heinrich Hiesinger muss auf seiner dritten Hauptversammlung erstmals Gegenwind überstehen.

Heinrich Hiesinger muss auf seiner dritten Hauptversammlung erstmals Gegenwind überstehen.

Foto: dpa, Oliver Berg

Bei seiner dritten Hauptversammlung als Chef des Industriekonzerns ThyssenKrupp befindet sich Heinrich Hiesinger in der Defensive. Seine Bilanz ist durch drückende Probleme belastet: Der vorerst gescheiterte Verkauf des Krisen-Stahlwerks in Brasilien sowie die teilweise Rückabwicklung der längst erledigt geglaubten Trennung vom Edelstahlgeschäft haben dem Image des schwäbischen Hoffnungsträgers erhebliche Kratzer zugefügt. In einem Interview mit dem Handelsblatt räumte Hiesinger "taktische Fehler" ein.

Aktionärsvertreter hatten vorab Widerstand gegen zentrale Beschlussvorlagen des Konzerns angekündigt. Dabei war auch Aufsichtsratschef Ulrich Lehner wegen erhöhter Bezüge in die Kritik geraten.

Noch bei der Bilanz-Vorlage Ende November hatte Hiesinger um Geduld gebeten. "Befreiungsschläge gibt es nicht", stellte er damals fest. Am Freitag bleibt er vor den Aktionären in Bochum bei seiner Linie. Auch nach einem weiteren Milliardenverlust will er sich nicht drängen lassen und wirbt um Geduld. "Wir werden uns auch in Zukunft die Zeit nehmen, die notwendig ist, um Probleme fundiert anzupacken", kündigte Hiesinger an.

Von messbaren Erfolgen ist die Rede

Beim Blick auf die Perspektiven bemühte sich Hiesinger um Optimismus. "Wer nicht nur auf den Jahresfehlbetrag schaut, sondern alle wichtigen operativen Kennzahlen des Unternehmens im Blick hat, der wird feststellen, dass wir auf dem richtigen Weg sind und messbare Erfolge erzielt haben", sagte der Konzernchef laut Redemanuskript.

Die Umsetzung könne jedoch nur in mehreren Schritten erreicht werden und hinterlasse tiefe Spuren in den Finanzkennzahlen. Das Unternehmen stecke mitten im größten Konzernumbau seit der Fusion von Thyssen und Krupp im Jahr 1999. Die grundlegenden Veränderungen benötigten Zeit. "Und wir haben auch den Mut da, wo es notwendig ist, Umwege in Kauf zu nehmen."

Ein neuer Vorstand gegen Korruption

"Am Ende der grundlegenden Erneuerung des Unternehmens soll und wird ein ThyssenKrupp-Konzern stehen, der auf ganz neue Weise an die große Tradition anknüpft und alte Tugenden mit neuem Leben erfüllt", versprach Hiesinger. Der Konzernchef räumte jedoch ein, dass Fehlentwicklungen aus der Vergangenheit wie etwa die Ivestitionen in Übersee-Stahlwerle "bleischwer" auf dem Unternehmen lasteten.

Einen Schritt gab der Konzern am Freitag bekannt: Nach einer Serie von Korruptionsvorwürfen und Kartellverstößen berief der Aufsichtsrat den früheren Metro -Manager Donatus Kaufmann zum Vorstand für gute Unternehmensführung.

An der Börse waren die ThyssenKrupp-Aktien gefragt: Am Vormittag kletterten die Papiere um knapp vier Prozent auf 19,42 Euro und waren damit größter Dax-Gewinner.

U-Boote als Hoffnungsträger

Hiesinger bekräftigte die Prognose für das laufende Geschäftsjahr und kündigte an, die Schulden weiter zu senken. ThyssenKrupp drückten Ende September Schulden von fünf Milliarden Euro. Etwas Erleichterung brachte danach eine Kapitalerhöhung. Im Geschäftsjahr 2012/13 (per Ende September)
fuhr der Konzern einen Verlust von 1,5 Milliarden Euro ein.

Dieser habe sich damit zwar verringert, sei aber "für uns alle absolut unbefriedigend", räumte Hiesinger ein.
Im laufenden Jahr steuert ThyssenKrupp nach eigenen Angaben deutlich "in Richtung eines ausgeglichenen Ergebnisses". Wann das Unternehmen wieder schwarze Zahlen schreibt, ist aber offen.

Hiesinger hat noch einen Vertrag bis September 2015. Er hat eine Reihe von Problemen vom früheren Management geerbt und versucht, den Konzern stärker auf das Technologiegeschäft mit Anlagen, Aufzügen und U-Booten und weniger auf das konjunkturanfällige Stahlgeschäft auszurichten. "In allen Geschäftsbereichen, mit Ausnahme von Steel Americas, haben wir im vergangenen Jahr ein positives operatives Ergebnis erzielt."

Anleger werden unruhig

Der Umbau geht einigen Aktionären nicht schnell genug. Die Anleger erhalten das zweite Mal in Folge keine Dividende. Finanzinvestoren wie Cevian aus Schweden dürften nun aufs Tempo drücken. Cevian hält knapp elf Prozent an ThyssenKrupp und gilt als aktivistischer Investor, der auch bei der Strategie mitmischen will. Es gilt als wahrscheinlich, dass der Investor auch in den Aufsichtsrat drängen wird. Auf der Rednerliste für die Hauptversammlung standen die Schweden nicht. Wer gehofft hatte, mehr von ihren Plänen zu erfahren, wurde enttäuscht.

Hiesinger verteidigte den Entschluss, mit der Anlage in den USA zunächst nur eines der beiden verlustreichen Stahlwerke in Übersee zu verkaufen. "Knackpunkt bei den Verhandlungen war nicht der Verkaufspreis." Vielmehr seien die umfassenden Lieferverträge das Haupthindernis gewesen. Nach einer Reihe von Problemen waren die Kosten für die Werke auf fast 13 Milliarden Euro explodiert.

Der Ausstieg aus dem Edelstahl ist beschlossene Sache

ThyssenKrupp will sich auf Dauer auch weiter von dem Werk in Brasilien trennen. Dies sei für die Schwierigkeiten aber nicht alleine verantwortlich. Die Verluste von Steel Americas hätten sich zuletzt nahezu hälftig zwischen Brasilien und den USA aufgeteilt.

"Natürlich hätten wir uns gewünscht, die Themen Edelstahl und Steel Americas in einem einzigen Schritt abschließend zu regeln", sagte Hiesinger. Der Manager hatte bei dem Verkauf des Edelstahlgeschäfts einen Rückschlag hinnehmen müssen.

Nachdem der finnische Käufer Outokumpu in Schwierigkeiten geraten war, muss ThyssenKrupp die verlustreiche Tochter Terni und den Spezialanbieter VDM zurücknehmen. Dadurch drohen weitere Kosten. "Es bleibt bei der strategischen Entscheidung zum Ausstieg aus dem Edelstahlgeschäft, auch wenn wir dafür jetzt einen Umweg gehen müssen", kündigte Hiesinger an.

(REU/dpa)
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