Hauptversammlung des Konzerns ThyssenKrupp-Aktionäre setzen Hiesinger unter Druck

Bochum · Drei Milliardenverluste in Folge, ein ins Stocken geratener Konzernumbau, ungeklärte Risiken aus einem möglichen Stahl-Kartell und die erst zum Teil aufgeklärte Serie von Skandalen und Affären - bei der Hauptversammlung in Bochum kritisieren die Aktionäre ThyssenKrupp-Chef Heinrich Hiesinger schärfer als je zuvor.

 Bei der Hauptversammlung setzen Aktionäre Thyssen-Chef Hiesinger schwer zu.

Bei der Hauptversammlung setzen Aktionäre Thyssen-Chef Hiesinger schwer zu.

Foto: dpa, Rolf Vennenbernd

Wurde der ehemalige Siemens-Mann seit seinem Amtsantritt vor drei Jahren bislang fast ausschließlich gefeiert, ist sein Verhältnis zu den Aktionen inzwischen abgekühlt. "Sie rühmen sich, Schlimmeres verhindert zu haben. Aber das kann es ja wohl nicht sein", sagte Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz.

Beim Abwägen der guten und der schlechten Nachrichten seit Hiesingers Amtsantritt komme er auf ein Unentschieden. Hechtfischer: "Ihr Vertrag geht jetzt in die zweite Halbzeit. Da muss noch was passieren." Der Hamburger Aktionär Bernd Günther sagte: "Wenn das so weitergeht, kommen Sie in die Rubrik der Versager".

Hiesinger steht für das neue Thyssen

Trotzdem war die Stimmung auf der Hauptversammlung friedlicher als vor einem Jahr: Damals entlud sich die geballte Wut der Aktionäre gegen den langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden Gerhard Cromme, der wenig später zurücktreten musste. Cromme stand für die alte Welt von ThyssenKrupp, die von glücklicheren Rahmenbedingungen, aber auch von dramatischen Fehlentscheidungen, Kartellen und Affären geprägt war.

Hiesinger steht für die neue Welt von ThyssenKrupp. Er sieht sich als Aufräumer, der den angeschlagenen Konzern zurück in die Professionalität und Profitabilität führt. Aber auch nach drei Jahren an der Spitze von ThyssenKrupp kann er noch keinen Durchbruch melden. Die Aktionäre, die es in Bochum gut mit ihm meinen, erklären das mit der Größe der Probleme, die seine Vorgänger ihm hinterlassen haben. Die kritischeren Anleger halten Hiesinger auch eigene Fehler vor.

In einem Interview räumt er Fehler ein

Zumindest einen räumt Hiesinger ein. Mit Blick auf das Katastrophen-Stahlwerk in Brasilien, für das er immer noch keinen Käufer gefunden hat, sagt Hiesinger im Handelsblatt: "Sicherlich war es ein taktischer Fehler, den Verkauf des Stahlwerks bis zum vergangenen Mai angekündigt zu haben."

In seiner Rede auf der Hauptversammlung rückte er dann aber überwiegend seine Erfolge ins rechte Licht. "In allen Geschäftsbereichen, ausser in der amerikanischen Stahlsparte, haben wir im vergangenen Jahr ein positives operatives Ergebnis erzielt", so Hiesinger. Zum ersten Mal seit sechs Jahren habe ThyssenKrupp einen positiven Mittelzufluss erwirtschaftet. Die Verschuldung sei um 800 Millionen Euro verringert worden. "Das sind greifbare, messbare Erfolge des Veränderungsprozesses", sagte Hiesinger.

Eine Einschätzung könnte Mitarbeiter beunruhigen

An seiner Strategie, die Stahl-Aktivitäten von ThyssenKrupp zugunsten der Dienstleistungen und des Technologie-Geschäftes einzudampfen, hält er fest. Das Stahlgeschäft sei zu konjunkturabhängig und binde überdies auch zu viel Kapital. "Am Ende des letzen Geschäftsjahres betrug die Stahlproduktion weniger als 30 Prozent des Umsatzes. 70 Prozent sind also schon Geschäfte mit Industriegütern oder Dienstleistungen", fasste Hiesinger diese Entwicklung zusammen.

Dass er darin einen Erfolg sieht, dürfte die 14.000 Mitarbeiter im Duisburger Thyssen-Stahlwerk skeptisch stimmen. Zumal Hiesinger die wesentlichen Chancen der Zukunft ohnehin außerhalb von Europa sieht: "Wir stellen nicht erst in den letzten Jahren fest, dass das Wachstum überwiegend außerhalb Europas stattfindet" sagte Hiesinger. Allerdings sei die Brammenherstellung in Brasilien "immer noch teurer als in Duisburg".

Um die Ära der Kartelle und Skandale abzuschließen, soll mit dem ehemaligen Metro-Chefjustiziar Donatus Kaufmann künftig ein Hauptverantwortlicher für gute Unternehmensführung ("corporate governance") in den Konzernvorstand einziehen. Für das laufende Geschäftsjahr kündigte Hiesinger "eine deutliche Verbesserung des Jahresergebnisses in Richtung eines wieder ausgeglichenen Ergebnisses" an.

(tor)
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