Im Visier der Justiz Top-Manager am Rande der Legalität

Düsseldorf (RP). Erst Ex-Siemens-Chef Heinrich von Pierer, dann Postchef Klaus Zumwinkel, nun der frühere Arcandor-Chef Middelhoff und der zurückgetretene Porsche-Lenker Wiedeking: Immer häufiger bekommen Top-Manager Ärger mit der Justiz. Was läuft schief in den Chefetagen?

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Jetzt also auch Wendelin Wiedeking: Vor vier Wochen versuchte er noch seinen Rücktritt abzuwehren, vorgestern durchsuchte die Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Büros von Porsche, um Vorwürfe wegen milliardenschwerer illegaler Geschäfte zu untersuchen. Der Vorwurf: "Verdacht auf Kursmanipulation und Insiderhandel".

Die Zahl der ins Visier der Justiz geratenen Wirtschaftsführer nimmt immer größere Ausmaße an. Klaus Zumwinkel musste 2008 zuerst wegen privater Steuertricks als Postchef zurücktreten. Nun will die Bonner Staatsanwaltschaft bis Ende Herbst entscheiden, ob ihm der Prozess als mutmaßlicher Anstifter von Spitzeleien bei der einige Jahre von ihm beaufsichtigten Telekom gemacht wird.

Der langjährige Siemens-Leiter Heinrich von Pierer hatte wegen des Korruptionsskandals mächtig Ärger — zumindestens mangelnde Aufsicht ist nun als Vorwurf übrig geblieben. Er soll dem Konzern einige Millionen Euro Schadenersatz zahlen. Und Anfang Juni begann die Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen den im März ausgeschiedenen Ex-Arcandor-Chef Thomas Middelhoff. Hier lautet der Verdacht: Untreue zu Lasten des Unternehmens.

Die Affären haben eine Gemeinsamkeit. "Extrem selbstbewusste Top-Manager nehmen sich nach Jahren des Lebens in der Chefetage Freiheiten heraus, die für andere Menschen fast undenkbar wären", warnt Ulf Posé, Präsident des Ethikverbandes der Deutschen Wirtschaft. "Und weil Macht zu Übermut verführt, nehmen so manche Vorstände auch Handlungen am Rande der Legalität hin."

Weibliche Lockvögel gegen Kritiker

Die Deutsche Bank ließ weibliche Lockvögel auf kritische Aktionäre los — noch immer ist nicht ausgeschlossen, dass Aufsichtsratschef Clemens Börsig in die Affäre verwickelt ist. Zumwinkel stanken als Oberaufseher der Telekom immer neue Indiskretionen. Er veranlasste Ermittlungen, die dann teilweise kriminell verliefen. "Wichtige Indizien sprechen dafür, dass Zumwinkel von den illegalen Aktionen wusste", sagt der Benrather Anwalt Julius Reiter, der mit Ex-Innenminister Gerhart Baum von der Telekom bespitzelte Aufsichtsräte vertritt. Das Absurde: Zumwinkel ließ den Düsseldorfer Staranwalt Michael Hofmann-Becking 2005 sogar in die Aktionen einweihen — und der packte bei der Justiz gegen ihn aus.

Middelhoff hatte keine Hemmung, mit Josef Esch einen wichtigen Geschäftspartner von Arcandor als Vermögensberater zu beschäftigen — wohin das führte, enthüllte der "Spiegel" vor einigen Wochen: Sowohl Yacht wie Villa von Middelhoff an der Côte d'Azur liefen über Esch-Firmen. Diese Verquickung ist nun Anlass für die Staatsanwaltschaft, zu untersuchen, warum Middelhoff als Arcandor-Chef 110 Millionen Euro von Esch nicht eintrieb. Middelhoff rechtfertigt sich, ein Berater habe von einer Klage gegen Esch abgeraten. Interessant: Seit Donnerstag wird gegen Esch wegen Bestechung in einer anderen Sache ermittelt.

Riesenerfolg führt am Ende in den Größenwahn — auch diese Interpretation ist möglich: Von Pierer war 2003 "Weltgeschäftsmann des Jahres", Zumwinkel wurde 2003 zum deutschen "Manager des Jahres" gewählt. Und Wendelin Wiedeking war 2008 "Europas Manager des Jahres."

(RP)
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