Vattenfall will verkaufen Steag an ostdeutscher Braunkohle interessiert

Essen · Vattenfall will seine Tagebaue und Braunkohle-Kraftwerke in Ostdeutschland verkaufen. Ausgerechnet der Ruhr-Konzern hat Interesse. Gewerkschafts-Chef Vassiliadis hofft, damit 8000 Jobs zu erhalten.

 Der Braunkohletagebau Welzow von Vattenfall in Welzow in Brandenburg.

Der Braunkohletagebau Welzow von Vattenfall in Welzow in Brandenburg.

Foto: dpa, ppl pzi fux

Der schwedische Energiekonzern Vattenfall will sein ostdeutsches Braunkohle-Geschäft bis Jahresende verkaufen. Noch bevor die Schweden den Verkaufsprozess offiziell gestartet haben, werfen Unternehmen ihren Hut in den Ring. Auch die Steag ist an der ostdeutschen Braunkohle interessiert, wie unsere Zeitung aus Konzern- und Gewerkschaftskreisen erfuhr. Joachim Rumstadt, Chef des fünftgrößten deutschen Energieversorgers, habe erste Gespräche geführt.

Auch Michael Vassiliadis, Chef der Bergbau-Gewerkschaft IG BCE, mache sich für den Plan stark, heißt es weiter. Vassiliadis, der Vize-Chef des Steag-Aufsichtsrates ist, sorgt sich um die 8000 Arbeitsplätze, die an der ostdeutschen Braunkohle hängen. Zugleich braucht die Steag in den nächsten Jahren Cash, um die Dividenden-Forderungen ihrer kommunalen Anteilseigner befriedigen zu können. Cash können die ostdeutschen Braunkohle-Kraftwerke (noch) liefern. Bei der konventionellen Stromerzeugung lässt sich angesichts der gefallenen Großhandelspreise branchenweit derzeit nur noch mit billiger Braunkohle Geld verdienen. Die Schulden, die die Steag wie alle Unternehmen derzeit zu Minizinsen aufnehmen kann, bezahlt man halt später. Die Steag ist bekannt für gewagte Finanzkonstruktionen.

Die Betroffenen äußerten sich gestern einsilbig. Die IG BCE wollte sich nicht dazu äußern. Der Vattenfall-Sprecher erklärte: "Wir äußern uns grundsätzlich nicht bei laufenden Transaktionen zu Marktspekulationen." Und die Steag-Sprecherin erklärte: "Fest steht, dass unterschiedliche Gruppierungen nach einer Lösung für das ostdeutsche Braunkohlegeschäft von Vattenfall suchen. Dass Steag aufgrund ihrer Kompetenz im Betrieb von Kraftwerken in diesem Zusammenhang von dritter Seite spekulativ genannt wird, können wir nicht ausschließen. Wir weisen aber ausdrücklich darauf hin, dass unser Unternehmen keine Fühler ausstreckt".

IG BCE wie Politik fürchten um die 8000 Arbeitsplätze im strukturschwachen Brandenburg und Sachsen. Den Verkauf können sie zwar nicht verhindern. Umso mehr sind sie an einem Käufer interessiert, der die Spielregeln der Sozialpartnerschaft versteht. Das scheint bei den bislang diskutierten Interessenten nicht der Fall zu sein: So sollen Finanzinvestoren mit Heuschrecken-Ruf wie KKR oder Blackstone laut der Agentur Reuters ein Auge auf das Braunkohle-Geschäft geworfen haben.

Offen Interesse angemeldet hat der tschechische Versorger EPH, der den deutschen Energiemarkt seit Jahren aufmischt. Erst vor wenigen Wochen hatte der Düsseldorfer Eon-Konzern seine italienischen Kohle- und Gaskraftwerke an EPH verkauft. 2012 waren die Tschechen bereits bei dem (nach RWE und Vattenfall) dritten Braunkohle-Konzern Mibrag eingestiegen. Und bereits 2010 hatte EPH versucht, die Steag zu übernehmen. Die Landesregierung war dagegen, am Ende machten Stadtwerke aus klammen Revierstädten das Rennen.

EPH-Chef und Miteigentümer Daniel Kretinsky ist ein typischer osteuropäischer Oligarch: Dem tschechischen Milliardär gehören neben dem Versorger auch noch der Fußball-Club Sparta Prag, Fernsehsender und Zeitungen. Verführerisch an der Braunkohle ist für Kretinsky vor allem ihr Preis: Vattenfall steht nach dem Regierungswechsel in Schweden unter Druck, sich von dem klimaschädlichen Geschäft zu trennen. Vattenfall emittiert 86 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr, davon entfallen 73 Millionen Tonnen auf Deutschland. Die rot-grüne Regierung in Stockholm wünscht den raschen Umbau zum grünen Staatskonzern. Deshalb will Vattenfall die Tagebaue und die Braunkohle-Kraftwerke verkaufen.

Im März will man den offiziellen Verkaufsprozess starten, bis Ende des Jahres soll laut Vattenfall-Chef Magnus Hall der Verkauf abgeschlossen sein. Der Zeitdruck drückt den Preis. Der Wert der Braunkohle-Aktivitäten wird in der Branche auf zwei bis drei Milliarden Euro geschätzt. Übernimmt der Käufer Pensions- und Ewigkeitslasten, dürfte es eher weniger werden.

In NRW dürfte ein Kauf der Braunkohle durch die Steag zu neuen Debatten führen. Schon der Einstieg der Stadtwerke war so umstritten wie das Beharren auf einer festen Dividende. Vor zwei Wochen traf sich SPD-Fraktionschef Norbert Römer mit den Bürgermeistern der Steag-Städte (Dortmund, Duisburg, Bochum, Essen, Oberhausen, Dinslaken). Dabei soll es nicht um die ostdeutsche Braunkohle gegangen sein - jedenfalls nicht offiziell.

(RP)
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