Der Stahlchef und das Schienenkartell Vermerke belasten Thyssen-Vorstand

Essen · Der Stahlchef von ThyssenKrupp, Edwin Eichler, war spätestens im Jahr 2006 über eine mögliche Verwicklung von ThyssenKrupp in ein Schienenkartell informiert. Das geht aus einem geheimen Vermerk der Wirtschaftskanzlei Freshfields hervor, die damals von ThyssenKrupp den Auftrag hatte, den Kartellverdacht zu prüfen.

Historische Bilder von ThyssenKrupp
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ThyssenKrupp wurde im vergangenen Juli wegen der Beteiligung an einem Schienenkartell zu einem Bußgeld von 103 Millionen Euro verurteilt. Der Aufsichtsrat lässt gegenwärtig die Rolle Eichlers bei dem Kartell gutachterlich prüfen. Das Ergebnis, das schon in der vergangenen Woche vorliegen sollte, steht aus. Stahl-Chef Eichler war in dem kritischen Zeitraum noch Vorstandschef der Konzernsparte "Materials" und hatte die Verantwortung für deren Schienen-Tochter "GfT Gleistechnik".

Bei dem Kartell handelt es sich um einen der größten in Deutschland je aufgedeckten Fälle von illegalen Preisabsprachen. Neben der Bahn schädigten die Unternehmen ThyssenKrupp, Vossloh und Voest-alpine jahrelang auch Nahverkehrsbetriebe. Die Düsseldorfer Rheinbahn wurde nach eigenen Angaben mit künstlich verteuerten Preisen für Schienenprodukte um drei Millionen Euro betrogen. Die Bahn soll um eine Milliarde Euro geschädigt worden sein.

In dem Vermerk fasst Freshfields-Anwalt Tobias Klose ein Gespräch mit damaligen ThyssenKrupp-Managern zusammen. Das Gespräch fand am 10. April 2006 in Essen statt. Beteiligt war Uwe Sehlbach, seinerzeit Chef der ThyssenKrupp-Rohstofftochter RSTG, und Harald Bogedein, damals Chef der ThyssenKrupp GfT Gleistechnik. Sehlbach wird in dem Vermerk "S" genannt, Bogedein "B". Der Anwalt hielt fest: "S und B kamen dann auf mögliche Absprachen zu sprechen. Man habe bei GfT schon immer den Eindruck gehabt, dass sich die Werke absprechen." An anderer Stelle heißt es: "GfT habe selbst genug ,market intelligence', um zu wissen, dass die Werke europaweit miteinander sprächen."

Und später: "Wir sprachen dann über die rechtliche Beurteilung: Nach den Gesprächen mit Herrn Meusel [Bahnsystem-Vorstand beim ThyssenKrupp-Wettbewerber Voestalpine, Anm. d. Red.] müssten wir davon ausgehen, dass es Absprachen der Werke gebe." Ebenfalls an dem Gespräch beteiligt war der damalige ThyssenKrupp-Sparten-Verantwortliche für das Einhalten von Regeln und Recht ("Compliance Officer"), Jörg Lacher. Er wird in dem Vermerk mit "L" abgekürzt. Der vorletzte Satz in dem Vermerk belastet Eichler. Denn er lautet: "L wird Herrn Eichler in dieser Sache berichten."

ThyssenKrupp räumte auf Anfrage Hinweise auf eine mögliche Kartellabsprache im Bereich der Gleistechnik aus dem Jahr 2006 ein. Dem sei damals sofort nachgegangen worden. Es seien keine Kartellrechtsverstöße der GfT Gleistechnik festgestellt worden. "Wie wir heute wissen, lag der Grund dafür in der hohen kriminellen Energie der Kartellanten, die durch bewusstes Verschweigen und systematisches Lügen eine frühere Aufklärung des Kartells nicht haben möglich werden lassen", so der Konzern. Man kooperiere "seit Bekanntwerden des Schienenkartells im Mai 2011" mit den Ermittlungsbehörden.

Damit ist die Bochumer Staatsanwaltschaft gemeint, die im Zusammenhang mit dem Schienenkartell bundesweit gegen rund 200 Personen ermittelt. Sie ist in ihrem Bemühen um Aufklärung offensichtlich erfolgreicher, als es Eichler damals war. Eichler wurde 2002 Chef der ThyssenKrupp-Schienen-Mutter "Materials" und zusätzlich im Jahr 2006 Chef der ThyssenKrupp-Aufzugstochter "Elevators". Auch Elevators flog 2004 mit einem Kartell auf und wurde 2007 zu einer Strafe von 480 Millionen Euro verurteilt. Eichler wurden in dieser Zeit Ambitionen auf den Vorstandsvorsitz bei ThyssenKrupp nachgesagt. Für seine persönliche Verwicklung in eines der Kartelle gibt es keine Hinweise.

(RP/csi)
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