Streit mit IG Metall Volkswagen droht mit Verlagerung der Golf-Produktion ins Ausland

Wolfsburg (rpo). Volkswagen droht der IG Metall: Wenn die Gewerkschaft nicht auf der Forderung nach längeren Arbeitszeiten bei gleicher Bezahlung eingehe, werde das Unternehmen die Produktion des Golf ins Ausland verlegen. Eine Produktion zu den derzeitigen Bedingungen sei ein Verlustgeschäft, so Markenvorstand Bernhard.

"Die Alternative ist, am aktuellen Kostenniveau festzuhalten, massiv Produktion ins Ausland zu verlagern und immer mehr Komponenten von Zulieferern zu beziehen", sagte Markenvorstand Wolfgang Bernhard dem "Handelsblatt". Anfang der Woche hatte VW die Verlängerung der Arbeitszeit von jetzt 28,8 auf 35 Stunden ohne Lohnausgleich gefordert.

Laut Bernhard stehen beim in Wolfsburg gebauten Golf Investitionsentscheidungen für die nächste Generation an: "Wir wollen das Auto weiterhin in Wolfsburg bauen, das ist aber unter den derzeitigen Bedingungen wirtschaftlich nicht darstellbar", sagte er. Zur Zeit verliere VW mit jedem Golf Geld.

Mit der 35-Stunden-Woche könne das wichtigste Modell des Konzerns aber im Hauptwerk zu "wettbewerbsfähigen Konditionen" gebaut werden", wie Personalvorstand Horst Neumann in dem Interview sagte.

Management-Fehler eingeräumt

Bernhard räumte zum ersten Mal ein, dass die Kostenprobleme des Konzerns auch auf Fehler des Managements zurückgehen: "Für unsere langen Produktionszeiten sind sowohl Schwächen bei der Konstruktion des Produkts als auch umständlich Arbeitsprozesse verantwortlich". Bei beiden Punkten seien aber schon Fortschritte erzielt worden, sagte er.

Laut Bernhard kostet eine Arbeitsstunde bei VW in Westdeutschland 55 Euro, während es bei der heimischen Konkurrenz 40 Euro seien, im Autobau in Osteuropa nur fünf bis 10 Euro. "Wie sollen wir überleben, wenn unsere Wettbewerber aus Osteuropa heraus mit 10 Euro Stundenlohn angreifen?", fragte er.

Bernhard zufolge hat VW in den sechs westdeutschen Werken im Jahr 2005 "einen dreistelligen Millionenbetrag" verloren. Nur mit Hilfe anderer Standorte der Marke sei ein dünner Gewinn erarbeitet worden.

In den sechs westdeutschen Werken gilt seit 1994 für rund 100.000 Arbeitnehmer der VW-Haustarifvertrag, der den Beschäftigten 20 Prozent höhere Löhne als der Flächentarifvertrag der Metallbranche bringt.

Arbeitsdirektor Neumann forderte das Ende des Tarifvertrages: "Ich glaube, dass wir einen neuen, einheitlichen Haustarif brauchen." Dessen Basis müsse der Flächentarifvertrag plus Erfolgsbeteiligung sein. Im Moment gebe es bei Volkswagen einen ganzen Flickenteppich von Verträgen. "Da blickt keiner mehr durch", klagte Neumann.

Zahl von 100.000 Beschäftigten kaum zu halten

VW hatte am Montag von seinen Mitarbeitern die Rückkehr zur 35-Stunden-Wochen ohne Lohnausgleich gefordert. Seit 1994 beträgt die Arbeitszeit in den westdeutschen Stammwerken 28,8 Stunden. Die Gewerkschaft lehnte die Pläne ab und erinnerte an bestehende Tarifverträge. Dennoch wollen Firmenleitung und Gewerkschaft noch vor der Sommerpause in einem zweiten Gespräch weiter über die Sanierungspläne sprechen.

In dem Interview sagte Neumann zum ersten Mal klipp und klar, dass mit der verlängerten Arbeitszeit die Zahl von 100.000 Jobs in Westdeutschland nicht zu halten sein dürfte: "Wenn wir den Produktivitätsvorteil ausgleichen, brauchen wir weniger Leute."

Um das zu erreichen, arbeite man mit Altersteilzeit und Aufhebungsverträgen. Neumann sagte, das betreffe 20.000 Jobs. Am Donnerstag will der Konzern die Sanierungspläne auf einer Belegschaftsversammlung vorstellen.

(ap)
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