Krisentreffen in Salzburg VW-Aufsichtsrat lässt Winterkorn schmoren

Wolfsburg/Salzburg · Am Donnerstag beriet das Präsidium des Aufsichtsrates über die Zukunft von VW-Chef Martin Winterkorn - mit unbekanntem Ergebnis. Klar ist: Verloren hat nicht nur Winterkorn. Auch Ferdinand Piëch büßte an Reputation ein.

 Die Zukunft von VW-Chef Martin Winterkorn ist vorerst unklar geblieben.

Die Zukunft von VW-Chef Martin Winterkorn ist vorerst unklar geblieben.

Foto: dpa

Erst stellt VW-Patriarch Ferdinand Piëch mit einer Indiskretion den Vorstandsvorsitzenden von Europas größtem Autokonzern öffentlich in Frage - dann ist plötzlich wieder Geheimhaltung seine Devise, und keiner soll mehr erfahren, welche Konse quenz sein Angriff auf Martin Winterkorn hat. Auch nach einem Krisentreffen des Aufsichtsrats-Präsidiums blieb Donnerstagabend unklar, ob Martin Winterkorn das Foul seines ehemaligen Förderers beruflich überlebt. Es werde an diesem Tag keine Stellungnahme mehr geben, teilte ein VW-Sprecher am späten Abend mit.

Damit gesellt sich zur Führungskrise bei VW jetzt auch noch eine Kommunikationskrise: Seit Anfang der Woche weiß niemand mehr, wer in Wolfsburg das Sagen hat. Für einen Konzern dieser Größenordnung ein unhaltbarer Zustand. Dass VW ihn selbst nach dem gestrigen Treffen nicht beenden konnte, zeigt, wei verfahren die Lage ist.

Am Wochenende hatte der übermächtige VW-Aufsichtsratschef und Großaktionär Piëch dem "Spiegel" gesagt: "Ich bin auf Distanz zu Winterkorn." Einerseits ist der Chef des Autobauers nach einer solchen Demontage kaum noch zu halten. Andererseits erntete Piëch für seine Äußerung so viel Kritik von Großaktionären, Arbeitnehmer-Funktionären und aus der Politik, dass der Ausgang des Machtkampfes offen ist.

Hellhörig hätte man bereits im März 2014 werden können. Auf die Frage, ob er den Konzern auf einem guten Weg sehe, hatte Piëch geantwortet: "Nicht wirklich." Im Rückblick war das wohl die gelbe Karte für Winterkorn. Denn schon damals hatte der Konzern allerhand Probleme. Und die sind bis heute nicht kleiner geworden:

Elektroantrieb Zwar hat der Konzern eine Reihe von voll- und teil-elektrischen Modellen im Angebot, aber keines reicht an die Stückzahlen der Japaner oder des E-Smarts von Daimler heran. Ein emotional packendes Angebot wie die kalifornische Edelschmiede Tesla hat der VW-Konzern in diesem Segment erst recht nicht parat: Audi will erst 2018 mit einem rein elektrisch angetriebenen SUV und einem Sportwagen auf den Markt kommen.

US-Geschäft Während BMW und Mercedes auf dem wichtigsten Automarkt neue Rekorde verbuchen, brach der Absatz der VW-Kernmarke 2014 um zehn Prozent ein. Die Amerikaner wollen - warum auch immer - üppiges Blech und dicke Motoren. Das hat VW kaum zu bieten. Die milliardenschwere Fabrik in Chattanooga ist nicht ausgelastet. Erst Ende 2016 soll dort ein auf die USA zugeschnittener Siebensitz-SUV vom Band rollen.

Führungsstruktur Weil der promovierte Metallurg Winterkorn ein detailversessener Perfektionist ist, schenkte Piëch ihm früh das Vertrauen: 1988 - Piëch war damals noch Chef der VW-Tochter Audi - machte er Winterkorn zu seinem obersten Qualitäts-Garanten. Jetzt, selbst an der Konzernspitze angelangt, will Winterkorn aber noch immer Details kontrollieren und hat seinen zentralistischen Führungsstil seit seinem Amtsantritt vor acht Jahren kaum geändert. Aber damals hatte VW 329 000 Mitarbeiter, heute sind es fast 600 000. Außerdem ist das Imperium seither um etliche komplexe Marken wie Porsche, MAN und Ducati gewachsen. Kritiker werfen Winterkorn vor, er könne nicht genug delegieren.

Rendite Die Kernmarke Volkswagen, die Winterkorn bis heute persönlich führt, sollte längst sechs Prozent Umsatzrendite erwirtschaften, schafft aber nur 2,5 Prozent. An diesem Beispiel wird die Schattenseite von Winterkorns Perfektionsdrang sichtbar: Modelle wie der Golf oder der Passat stellen in vielen technischen Details manchen BMW oder Mercedes in den Schatten. Aber trotz der hohen Kosten zahlt die Kundschaft dafür keine Premiumpreise. Gut für die Kunden, schlecht für die Konzernbilanz.

Auf der anderen Seite steht diesen Problemen eine Erfolgsbilanz gegenüber, wie sie bislang nur wenige Top-Manager vorweisen können. Unter Winterkorns Führung legten die Auslieferungen um 64 Prozent zu und der Umsatz um 86 Prozent. Auch das operative Konzernergebnis hat sich seit Winterkorns Amtsantritt vervierfacht. Wie auch immer der Machtkampf ausgeht: Eine Demontage in der Art, wie Ferdinand Piëch sie betreibt, hat Winterkorn nicht verdient. Deshalb hat Piëch sich auch selbst geschadet.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort