So kann gespart werden Was Experten der Regierung raten

Düsseldorf (RP). Steuern erhöhen oder Vergünstigungen wie die Pendlerpauschale streichen? Vor der Sparklausur der Bundesregierung am Sonntag sprach unsere Redaktion mit dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger und dem früheren Wirtschaftsweisen Rolf Peffekoven.

 Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigenrat des Bundes, setzt sich seit Monaten für die Einführung von Eurobonds ein.

Peter Bofinger, Mitglied im Sachverständigenrat des Bundes, setzt sich seit Monaten für die Einführung von Eurobonds ein.

Foto: ddp

Finanzminister Schäuble taxiert den Konsolidierungsbedarf im Bundeshaushalt ab 2011 jedes Jahr auf zehn Milliarden Euro. Reicht das?

 Rolf Peffekoven warnt vor Steuererhöhungen.

Rolf Peffekoven warnt vor Steuererhöhungen.

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Bofinger Die Zahlen sind stimmig und bilden das ab, was man für die Schuldenbremse braucht. Allerdings sollte man nicht nur konsolidieren, sondern auch Wachstumsimpulse vor allem in den Bereichen Bildung und Infrastruktur setzen. Die Zinsen sind so günstig, dass der Staat sich über Anleihen 20 Milliarden bis 30 Milliarden Euro für ein solches Wachstumsprogramm besorgen könnte.

Peffekoven Der Konsolidierungsbedarf von jährlich zehn Milliarden Euro basiert auf Berechnungen aus dem Jahre 2009. Doch dabei wurden die Belastungen noch nicht berücksichtigt, die sich möglicherweise aus den Hilfsprogrammen für Griechenland und andere Euro-Staaten in den nächsten Jahren ergeben können. Der Bund haftet für die an Griechenland gewährten Hilfen bis zu einem Höchstbetrag von rund 165 Milliarden Euro.

Welchen Anteil sollten Ausgabenkürzungen am Sparpaket haben, welchen Anteil Einnahmeverbesserungen?

Bofinger So viel wie möglich sollte über Veränderungen bei den Steuereinnahmen laufen. Auf der Ausgabenseite sind die Spielräume sehr begrenzt.

Peffekoven Steuererhöhungen halte ich für kontraproduktiv. Sie wirken negativ auf das Wachstum und verschärfen die Konsolidierungs-Aufgabe. Als Strategie bleibt nur die Kürzung der Ausgaben. Streichungen von Finanzhilfen und Steuervergünstigungen sollten 100 Prozent des Sparpakets ausmachen.

Schwächen Ausgabe-Kürzungen das Wirtschaftswachstum?

Bofinger Wenn man zehn Milliarden Euro sparen will, kostet das ungefähr 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Peffekoven Zwar wird immer wieder behauptet, in der momentanen Situation seien Ausgabenkürzungen die falsche Strategie, der Aufschwung würde dadurch gefährdet. Empirische Studien zeigen aber, dass niedrigere öffentliche Ausgaben das Wachstum nicht behindern. Möglich ist sogar, dass von geringeren Staatsausgaben expansive Wirkungen ausgehen. Das gilt vor allem für den Subventionsabbau, wodurch Wettbewerbsverzerrungen aufgehoben werden.

Schließen Sie Steuererhöhungen aus?

Bofinger Im Gegenteil. Ich plädiere für eine Anhebung der Einkommensteuer. Denn der Staat hat im Grunde nicht die Banken gerettet, sondern die Anleger, und die könnten jetzt am Sparpaket beteiligt werden. Damit wir uns nicht missverstehen: Ich meine nicht die kleinen Sparer, sondern Topverdiener, deren Geldanlagen gerettet worden sind. In der Ära Kohl hatten wir einen Spitzensteuersatz von 53 Prozent, das ging schließlich auch.

Peffekoven Ich halte Steuererhöhungen für falsch, weil sie das Wachstum beeinträchtigen. Natürlich kann ich sie nicht ausschließen, sie werden auch kommen, wenn die Politiker zu drastischen Ausgabenkürzungen nicht bereit sind.

Welche Steuervergünstigungen können entfallen?

Bofinger Ich würde beispielsweise die Steuerfreiheit bei den 400-Euro-Jobs streichen, ebenso die Abgeltungssteuer auf Zinserträge. Davon profitieren Gutverdiener, deren persönlicher Steuersatz über 25 Prozent liegt.

Peffekoven Bei der Umsatzsteuer halte ich den ermäßigten Steuersatz zum Beispiel für Hotelübernachtungen für eine Subvention, die gestrichen werden sollte. Bei der Einkommensteuer stehen auf meiner Liste ganz oben: die Steuerfreiheit für Zuschläge bei Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit sowie die sogenannte Pendlerpauschale.

Sollten die Sparpakete in der EU enger aufeinander abgestimmt werden?

Bofinger Natürlich muss das passieren. Es gibt derzeit kein Gesamtkonzept für die Währungsunion, keinen Gesamtüberblick über die Situation in den einzelnen Mitgliedsstaaten. Natürlich müssen die derzeitigen Wackelkandidaten wie Griechenland und Spanien sofort ihre Sparanstrengungen verstärken. Aber wenn das alle gleichzeitig tun, dann leidet die Konjunktur in Euro-Land. Also könnten andere Länder wie Deutschland mit ihrem Sparkurs noch warten. Aber um das abzustimmen, müssen sich alle an einen Tisch setzen.

Peffekoven In allen Mitgliedsländern der EU müssen die Haushalte konsolidiert werden, allerdings sind die Ursachen für die hohen Defizite durchaus unterschiedlich. Deshalb müssen auch unterschiedliche Konsolidierungsmaßnahmen ergriffen werden. Eine Abstimmung ist deshalb nicht vordringlich und politisch auch wohl nicht durchsetzbar. Allerdings sollten auf EU-Ebene quantitative Konsolidierungsziele vorgegeben werden (was bereits geschieht), die dann aber auch (woran es derzeit mangelt) durchgesetzt werden müssten.

Birgit Marschall sprach mit Peffekoven

Georg Winters sprach mit Bofinger beim Wissensforum der Commerzbank in Düsseldorf

(RP)
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