Berlin Was hinter Schäubles Spritsteuer steckt

Berlin · Angesichts der Spritpreise wäre eine Benzinsteuer verkraftbar und würde den Druck auf andere EU-Staaten erhöhen. Dennoch lehnen Kanzlerin und Ökonomen den Plan ab. Justus Haucap fordert, stattdessen die Telekom zu verkaufen.

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Foto: dpa/Gregor Fischer

Der Zeitpunkt schien günstig: Seit der Ölpreis auf Talfahrt ist, fallen auch die Spritpreise. Ein Liter Diesel kostet an vielen Tankstellen bereits unter 90 Cent je Liter, ein Liter Super unter 1,20 Euro. Eine gute Gelegenheit, jetzt beim Autofahrer die Milliarden einzusammeln, die zur Finanzierung der Flüchtlingskosten notwendig sind, mag sich Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gedacht haben, als er seinen Spritsteuerplan ersann.

Zudem sind Steuern auf Benzin kurzfristig völlig preisunelastisch und führen nicht zu Ausweichreaktionen: Keiner fährt und tankt weniger, nur weil er ein paar Cent mehr für den Sprit zahlen muss - entsprechend sicher kalkulierbar ist das Steueraufkommen. Das zeigt sich auch daran, dass der Staat schon jetzt mehr als die Hälfte des Benzinpreises für sich beansprucht: derzeit 85 Cent pro Liter.

"Eine Erhöhung der Benzinsteuer hätte im Vergleich zu anderen Steuern immerhin noch den Vorteil, dass sie kaum Arbeitsplätze gefährden dürfte und weniger schädlich ist als etwa der Soli", sagte der Düsseldorfer Wettbewerbsökonom Justus Haucap unserer Redaktion. Dennoch hält er wenig von Schäubles Plan. "In Zeiten, in denen der Staat im Geld schwimmt, sollten nicht neue Steuern eingeführt werden." Stattdessen könnten andere staatliche Aktivitäten auf den Prüfstand gestellt werden, forderte Haucap. Konkret schlägt Haucap vor: "Der Staat könnte seine Beteiligungen an zahlreichen Unternehmen, wie etwa der Telekom, weiter zurückführen."

Schäuble ging es aber nicht nur um den deutschen Finanzierungsbeitrag. Ausdrücklich forderte er, dass alle EU-Länder einen solchen Aufschlag auf den Spritpreis nehmen. "Warum sollen wir das nicht europäisch verabreden, wenn die Aufgabe so dringend ist? Wir müssen die Schengen-Außengrenzen jetzt sichern. Die Lösung dieser Probleme darf nicht an einer Begrenzung von Mitteln scheitern", hatte er gesagt - und damit vor allem solche EU-Länder im Blick, die nicht bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen oder Geld für die Sicherung der Grenzen zu geben. So ist die Bundesregierung verärgert, dass Italien sich der Hilfszahlung an die Türkei verweigert. Die EU-Finanzminister konnten sich in der vergangenen Woche deswegen nicht auf die Zahlung von drei Milliarden Euro einigen, mit denen die Türkei bei der Versorgung von Flüchtlingen unterstützt werden soll. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi steht innenpolitisch durch die Europa-kritische "Fünf-Sterne-Bewegung" sowie die Lega Nord unter Druck.

Dennoch konnte Schäuble nicht überzeugen. FDP-Chef Christian Lindner twitterte: "Nachdem Groko zwei Jahre das Geld mit vollen Händen ausgegeben hat, jetzt eine neue Steuer mit Flüchtlingen zu begründen ist schäbig!" Der Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, betonte: "Das Aufkommen stünde nur dem Bund zu und müsste an Länder und Kommunen, die vor allem durch die Flüchtlingskosten belastet sind, weitergeleitet werden." Besser sei es, die Bedingungen für Investitionen zu verbessern. Das stabilisiere auch künftige Steuereinnahmen.

(anh)
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