GDL-Chef Was treibt Claus Weselsky an?

Berlin · Niemand beeinflusst derzeit den Alltag von Millionen Bürgern mehr als der Chef der Lokführergewerkschaft. Claus Weselsky will sich dem öffentlichen Druck nicht beugen. Eine Schlichtung des Konflikts lehnte er am Mittwoch ab. Als Vorbild nannte er kürzlich eine historische Figur, die das Gesicht Europas veränderte.

Sicherer Schritt, fokussierter Blick, ernste Miene - GDL-Chef Claus Weselsky auf dem Weg zur Pressekonferenz.

Sicherer Schritt, fokussierter Blick, ernste Miene - GDL-Chef Claus Weselsky auf dem Weg zur Pressekonferenz.

Foto: dpa, ped kde

Auch an diesem Mittwoch betritt Claus Weselsky den Raum mit durchgestrecktem Rücken. Der Mann, der womöglich halb Deutschland gegen sich aufgebracht hat - die Bundeskanzlerin, die Wirtschaft, Hunderttausende Bahnkunden - könnte jetzt einen Rückzieher machen, den längsten Lokführerstreik bei der Deutschen Bahn absagen.

Macht er aber nicht. "Wer da feige kneift, weil er vielleicht mal persönlich in die Schusslinie gerät, der wird der Aufgabe nicht gerecht", verkündet der 55-Jährige mit fester Stimme vor einem Spalier aus Mikrofonen und Kameras. Und dann fügt er hinzu, er wisse nicht, ob es in Deutschland noch genügend Gewerkschaftsführer mit diesem Charisma gebe. "Bei uns ist das der Fall", sagt Claus Weselsky über Claus Weselsky - was viel über sein Selbstbewusstsein verrät.

Martin Luther - keinen Geringeren hat er zum Vorbild erkoren, den Reformator, der seine Kirchenkritik gegen alle Widerstände durchfocht und so die Reformation auslöste.

Dem Chef der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) geht es zwar nur um etwas mehr Macht für seine Gewerkschaft und mehr Geld für ihre Mitglieder. Aber: "Luther hat seine Ziele und Ideale aufrichtig verfochten", erklärte Weselsky in der "Zeit". "Ich bewundere seine Standhaftigkeit. Er war auch dann noch konsequent in seinem Handeln, als es schwierig für ihn wurde."

Weselsky, CDU-Mitglied, sauber gestutzter Oberlippenbart, dunkelgrauer Anzug, weißes Hemd, tritt stets gepflegt auf. Akkurat - das Wort passt besser. Manche beschreiben ihn als kühl. Sein Gegenüber bei der Bahn, Personalvorstand Ulrich Weber, hat - trotz aller Enttäuschung in dem Tarifkonflikt - an seinem Kontrahenten persönlich nichts auszusetzen. "Ich habe kein Problem mit Herrn Weselsky", sagt Weber. "Wir sind ja Profis", jeder mache seinen Job. Die Art und Weise Weselskys habe er nie kritisiert.

Dabei kann der Liebhaber klassischer Musik auch unfein werden, wenn er in Rage gerät. Mit einem Behinderten-Vergleich zog Weselsky vor Wochen viel Kritik auf sich und musste sich entschuldigen. Starke Worte auch im Tarifkonflikt: "Perfide" und "scheinheilig" gehe die Bahn vor, "Latrinenparolen" verbreiteten die Medien.

Weselsky geht im Tarifkonflikt aufs Ganze, denn er ist sich seiner Macht bewusst. Fast vier von fünf Bahn-Lokführern sind in der GDL organisiert, das macht schlagkräftig. Der jüngste Streik traf den Osten besonders stark, wo die Lokführer der Reichsbahn nach der Wende in großer Zahl in die GDL eintraten. Weselsky half, die älteste deutsche Gewerkschaft dort wieder aufzubauen.

Die Reichsbahn hatte den Sachsen in den 1970er Jahren erst zum Schlosser, dann zum Lokführer ausgebildet. Bis 1992 arbeitete Weselsky in dem Beruf, zuletzt als Personaldisponent und Lokleiter in Pirna. In der GDL stieg er 2007 zum Bundesvorsitzenden auf.

Kritiker dort werfen ihm einsame Entscheidungen vor. In gewisser Weise passt das zu einem Lokführer, der allein im Führerstand verantwortlich für die Reisenden in den Wagen hinter ihm ist. Er sei keiner, der ständig im Team arbeiten müsse, soll der geschiedene Vater eines erwachsenen Sohnes mal gesagt haben.

GDL-Streik: "Claus Weselsky hat seine Gewerkschaft auf dem Abstellgleis geparkt"
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"Weselsky hat seine Gewerkschaft endgültig auf dem Abstellgleis geparkt"

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Nur einmal wird seine Stimme zum Auftakt des Rekordstreiks bei der Bahn etwas wackelig - als es um die wachsende, auch unfeine Kritik an seiner Person geht. Besonders in sozialen Netzwerken im Internet wird der Vorsitzende teils übel beschimpft, wenn auch oft von Nutzern, die ihren echten Namen nicht nennen.

Eine Zeitung veröffentlichte Weselskys Büro-Telefonnummer, damit empörte Leser direkt anrufen können - wenn sie die Nummer nicht schon selbst auf der Webseite gefunden hatten.

"Ich möchte nicht verhehlen, dass das, was versucht wird, an meiner Person zu exerzieren, seine Spuren hinterlässt", bekennt Weselsky. "Das gehört damit unter die Abteilung "schmerzensgeldfähig".

(dpa)
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