Schadenersatz WestLB-Nachfolgebank droht eine Klagewelle

Düsseldorf · Der landeseigenen Bank Portigon drohen aus den USA Schadenersatzansprüche in dreistelliger Millionenhöhe. Vorsorgen will die Nachfolgebank der WestLB bisher nicht. Dabei klagt auch eine US-Behörde.

Schadenersatz: WestLB-Nachfolgebank droht eine Klagewelle
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Wegen der mutmaßlichen Beteiligung der WestLB an einem internationalen Kartell zur Manipulation von Zinsen droht den Steuerzahlern in NRW ein neues Millionenrisiko. Wie die WestLB-Nachfolgerin Portigon auf Anfrage einräumte, wurde sie "von einer Reihe von Klägern vor US-Gerichten verklagt". 33 Klageschriften seien der Bank bereits zugestellt worden, weitere 15 wurden laut Portigon bei Gerichten eingereicht, aber noch nicht förmlich zugestellt.

Den Klägern zufolge war die WestLB an einem der größten Bankenskandale der Wirtschaftsgeschichte beteiligt. Im sogenannten Libor-Skandal hat ein krimineller Ring von Banken und Händlern jahrelang einen internationalen Zinssatz manipuliert. Einige der beteiligten Banken, darunter die Deutsche Bank, mussten schon hohe Strafen zahlen. Alleineigentümer der WestLB-Nachfolgerin Portigon ist das Land NRW.

Als besonders brisant gilt die Klage der FDIC (Federal Deposit Insurance Corporation). Die US-Behörde verwaltet den Einlagensicherungsfonds der amerikanischen Banken und ist sehr einflussreich. Die Klageschrift liegt unserer Redaktion vor. Darin werden der WestLB zusammen mit anderen Banken Betrug, Beihilfe zu Betrug, "Konspiratives Vorgehen beim Betrug" und die "Missachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben" vorgeworfen. Unter dem Aktenzeichen 14 CV 1757 verklagt die FDIC vor einem New Yorker Gericht Portigon und andere Banken auf den "vollständigen Ersatz aller vergangenen und zukünftigen Schäden", die der FDIC wegen der Libor-Manipulation entstanden sind.

Wie in US-Verfahren üblich, wird die Höhe der Forderung in dieser Klageschrift noch nicht genannt. Weil vor US-Gerichtsständen höhere Forderungen üblich sind als in Deutschland, sei "die Grenze für solche Schadenersatzforderungen der blaue Himmel", sagte Jiri Jaeger, Bankenspezialist der internationalen Londoner Wirtschaftskanzlei Bird&Bird. Jaegers Einschätzung: "Bei der Klage der FDIC werden die WestLB und ihre Nachfolger mit Schadenersatzansprüchen in dreistelliger Millionenhöhe zu rechnen haben." Die australische Investmentbank Macquarie schätzt das Libor-Klagerisiko für die WestLB sogar auf 8,3 Milliarden Euro, betont aber wie Jaeger die Unsicherheiten einer solchen Schätzung.

Der Libor-Referenzzinssatz ist ein Orientierungswert für fast alle weltweiten Bankgeschäfte und Grundlage für Finanzprodukte im Gesamtwert von 300 Billionen Euro. Er bildet tagesaktuell den Zinssatz ab, zu dem sich eine Gruppe von 16 Banken (die sogenannten Panel-Banken) gegenseitig Geld leihen. Den Instituten wird vorgeworfen, dass sie von 2005 bis 2009 absichtlich falsche Angaben gemacht haben, um eigene Handelsgewinne zu erzielen. Bis zum Bekanntwerden der Manipulationen wurde der Libor durch einfache Telefonabfrage bei den 16 Panel-Banken ermittelt. Eine davon war die WestLB, deren Nachfolgerin Portigon eine Beteiligung an der Manipulation bestreitet: "Die Portigon AG geht davon aus, dass weder ihr noch ihren Mitarbeitern eine unzulässige Manipulation der Zinssatzquotierungen vorgeworfen werden kann", teilte die Bank mit. Gleichwohl bestätigt das Kreditinstitut, dass auch die deutsche Bankenaufsicht gegen Portigon ermittelt.

Auf Unverständnis stößt unter Experten, dass Portigon für die drohenden Schadenersatzansprüche keine Rückstellungen gebildet hat - außer 16 Millionen Euro für die reinen Prozesskosten. Die Bank begründet das mit ihrer "positiven Einschätzung der Prozessaussichten". Das Finanzministerium nimmt keine eigene Risikoabschätzung vor und sieht keine Belastungen auf den Landesetat zukommen.

Experten sehen das anders. Bankenspezialist Jaeger: "Wenn die WestLB-Nachfolger auch im Wissen einer vorliegenden US-Klage gegen sie noch immer keine Rückstellungen bilden, ist das wahrscheinlich fahrlässig." Portigon sei bei dieser Sachlage "verpflichtet, zumindest Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden". Ralf Witzel, Fraktionsvize der FDP im NRW-Landtag, kritisiert: "Die Geschichte der WestLB ist geprägt von zahlreichen viel zu spät eingestandenen Schieflagen. Hoffentlich setzt Portigon diese Tradition nicht fort."

(RP)
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