Düsseldorf Verdi fordert Milliarden für Kraftwerker

Düsseldorf · Der Druck für ein vorzeitiges Aus der Kohleverstromung wächst. Die Gewerkschaft fordert eine Absicherung der 15.000 Kraftwerks-Mitarbeiter. Das kann bis zu 17 Milliarden Euro kosten. Umweltminister Remmel begrüßt den Vorstoß.

Im Kampf gegen den Klimawandel wächst der Druck für einen vorzeitigen Ausstieg aus der Verstromung von Braun- und Steinkohle. Nun hat die Gewerkschaft Verdi eine Studie vorgelegt, die die Folgen eines Ausstiegs 2040 berechnet. Danach würden etwa 11.000 der 15.000 Beschäftigten in deutschen Kraftwerken vorzeitig ihren Job verlieren. Um den Abbau sozialverträglich zu gestalten, müssen nach Berechnung des von Verdi beauftragten Instituts Enervis bis zu 17 Milliarden Euro aufgebracht werden.

Die Gewerkschaft fordert, dass der Staat die Bereitstellung des Geldes organisiert. "Die Verunsicherung bei den Beschäftigten von Stadtwerken, RWE und Eon ist groß. Jetzt ist die Politik gefordert", sagte Bsirske zur Vorstellung der Studie. Der sozialverträgliche Ausstieg sei machbar und finanzierbar.

Grundsätzlich gebe es drei Wege zur Finanzierung des Sozialplans: Entweder führt der Staat einen Energie-Cent ein, der neben den bestehenden Abgaben auf den Strompreis aufgeschlagen wird. Hier wären bis zu 0,09 Cent pro Kilowattstunde fällig. Wenn man energieintensive Firmen wie Stahl-Hersteller befreit, müsste die Abgabe bei 0,14 Cent liegen. Oder der Staat führt einen steuerfinanzierten Sozialfonds ein, aus dem Gehälter und Umschulungskosten der entlassenen Kraftwerker bezahlt werden.

Oder, und das ist der Favorit von Verdi: Der Staat sorgt dafür, dass Erlöse aus dem Verkauf der Verschmutzungsrechte (Kohlendioxid-Zertifikate) zur Finanzierung des sozialverträglichen Ausstiegs verwendet wird. Bislang fließt das Geld in den Klimafonds, aus dem etwa die energetische Gebäudesanierung finanziert wird. Der Vorstoß sei mit EU-Recht vereinbar, meint Bsirske. Doch auch das bedeutet, dass der Stromkunde letztlich zahlen muss. Auch die Zertifikate-Kosten legen Versorger auf die Verbraucher um.

Konkret rechnet die Verdi-Studie vor: Kommt der Kohleausstieg schon 2040, müssten insgesamt 17 Milliarden Euro für eine sozialverträgliche Abfederung ausgegeben werden. Bei einem Kohleausstieg 2050 sind es zwölf Milliarden. Das seien aber Höchstbeträge. "Wir gehen davon aus, dass viele Beschäftigte in neue Jobs vermittelt werden können, so dass wir im Schnitt nur 250 Millionen Euro pro Jahr brauchen", sagte Andreas Scheidt, Energieexperte im Verdi-Vorstand. Damit käme man auf Gesamtsummen von 8,5 Milliarden (Ausstieg 2040) oder sechs Milliarden (Ausstieg 2050). Wie sich das auf die Länder aufteilt, sei noch offen.

"Wenn die Politik den Kohle-Ausstieg will, muss sie die Verantwortung für die Sozialverträglichkeit übernehmen", sagte Bsirske. Er kündigte an, dass er auf Bund und Länder wie Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Sachsen zugehen werde. Ein Termin bei Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) und dessen Staatssekretär Rainer Baake sei schon vereinbart.

Der Verdi-Chef räumte ein, dass das Geld nur reiche, um die Kraftwerker abzusichern. Für die Beschäftigten im Braunkohletagebau (ebenfalls 15.000) könnte das Modell aber Vorbild sein. An der Forderung, die Kraftwerke allein für die Bereitstellung von Kapazität zu bezahlen, hält Bsirske gleichwohl fest. "Diesen Kapazitätsmarkt brauchen wir für die Versorgungssicherheit."

NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) begrüßte den Vorstoß. "Ich begrüße es sehr, dass sich auch Verdi auf den Weg zu einem Kohlekonsens für Stein- und Braunkohlekraftwerke macht. Ein Ausstieg aus der Braun- und Steinkohlenutzung ist nicht nur klimapolitisch notwendig und industriepolitisch sinnvoll - erstmalig zeigt die heute vorgestellte Studie, dass er auch sozialverträglich möglich ist."

(anh)
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