Erzieher rebellieren gegen Schlichtung Neue Kita-Streiks - kurze Gnadenfrist für NRW

Berlin/Düsseldorf · Erzieher und Sozialarbeiter lehnen die Schlichtungsergebnisse mit breiter Mehrheit ab. Scheitern in dieser Woche weitere Verhandlungen, kommt es auch in NRW wieder zu Schließungen. Dafür spricht im Moment vieles. Die Kommunen sprechen von "illusorischen Erwartungen". Nur dank der Ferien hält Verdi noch die Füße still.

Zehntausende Eltern und Kleinkinder könnten schon bald wieder vor verschlossenen Kita-Türen stehen. Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi erklärte die Schlichtung für insgesamt 240 000 Erzieherinnen und Sozialarbeiter in kommunalen Kitas am Wochenende für gescheitert. Bei einer Mitgliederbefragung hätten knapp 70 Prozent den Schlichterspruch von Ende Juni abgelehnt, der ein Gehaltsplus von durchschnittlich 3,2 Prozent vorsah. "Das ist ein absolut klares Signal an die eigene Gewerkschaft und auch an die Arbeitgeber", sagte Verdi-Chef Frank Bsirske. "Der Streik wird fortgesetzt" - falls die Arbeitgeber nicht noch nachlegten. Dies ist allerdings nicht absehbar.

Die Gewerkschaft will morgen in Frankfurt am Main über das weitere Vorgehen beraten. Am Donnerstag steht eine neue Verhandlungsrunde mit den Arbeitgebern im hessischen Offenbach an. Komme es dabei nicht zu "substanziellen Zugeständnissen", so Bsirske, seien Streiks in den 17.900 kommunalen Kitas unvermeidlich.

Immerhin will Verdi neue Streiks vor dem Ferienende in Bayern und Baden-Württemberg Mitte September vermeiden, wie es in Gewerkschaftskreisen hieß. Für NRW ergäbe sich damit eine kurze "Gnadenfrist" bis Mitte September. Zudem werde es voraussichtlich nicht zu breiten, flächendeckenden Streiks, sondern zu Schließungen an bundesweit ausgewählten Standorten kommen.

Die Geister-Kitas von Düsseldorf
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Foto: Endermann, Andreas (end)

Denkbar sei, nur solche Kitas zu bestreiken, die problemloser als andere und ohne Notdienste zu schließen sind. Bsirske hatte "unkonventionelle Streikformen" angekündigt.

Neue Kita-Streiks würden NRW hart treffen. In praktisch allen Städten hatten Erzieher im Frühjahr in Hunderten Kitas wochenlang die Arbeit niedergelegt. In Köln und Düsseldorf hatte es größere Demonstrationen gegeben, kleinere Kundgebungen auch in Solingen, Neuss und Krefeld. "Wir haben länger für unser Anliegen gestreikt", sagte eine Düsseldorfer Erzieherin, "also muss auch mehr rauskommen."

Der Schlichterspruch des früheren sächsischen Ministerpräsidenten Georg Milbradt (CDU) und des Ex-Oberbürgermeisters von Hannover, Herbert Schmalstieg (SPD), war zwar von Gewerkschaften und Arbeitgebern akzeptiert worden, fiel anschließend aber bei der Mitgliederbefragung durch. Die Erzieherinnen fordern eine stärkere Aufwertung ihres Berufs und durchschnittlich zehn Prozent mehr Geld.

"Die Erwartung der Erzieherinnen ist völlig illusorisch", sagte Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds. "Der Schlichterspruch kostet die Städte und Gemeinden schon zusätzlich 500 Millionen Euro im Jahr", betonte Landsberg. Mehr als ein durchschnittliches Gehaltsplus von drei Prozent könnten sich die Kommunen nicht leisten. "Noch mehr Geld würde auch das Gehaltsgefüge im öffentlichen Dienst der Kommunen sprengen." Dann wollten etwa auch die Feuerwehrleute mehr. "Ich befürchte, dass es wieder zu Streiks in vielen Kitas kommt. Das wird Eltern, Kinder und Kommunen erneut vor enorme Probleme stellen." Das Verwaltungspersonal habe mit der Bewältigung des Flüchtlingsansturms schon genug zu tun. "Die Gewerkschaften haben falsche Erwartungen geweckt", sagte Landsberg. Eine Frage sei, ob die Kita-Beschäftigten die Bürger diesmal nicht gegen sich aufbringen werden.

Für Eltern und Unternehmen würde dabei die Lage bei einem möglichen neuen Streik noch schwieriger als zuvor. Viele Eltern hatten die ersten Streiks kompensieren können, indem sie Urlaub nahmen. Doch nach Sommerferien und dem ersten Streik haben viele nun keine Urlaubstage mehr. Sie müssten im schlimmsten Fall unbezahlte, freie Tage nehmen, wenn sich keine andere Lösung findet.

(mar)
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