Kolumne Kurt Von Storch Vergessen Sie die Zinswende!

Der Vermögensverwalter über die geringe Chance, dass die US-Notenbank ihren Leitzins kräftig anhebt - und die Folgen für Anleger.

Manch Sparer wird sich in den vergangenen Wochen gefreut haben: Im April haben zehnjährige Bundesanleihen noch 0,05 Prozent Rendite gebracht, mittlerweile sind es rund 0,8 Prozent, zeitweise waren es sogar mehr als ein Prozent pro Jahr. Immerhin, möchte man da meinen. Der Anstieg ist verbunden mit der Hoffnung, dass sich dieser Trend fortsetzt und die Rückkehr zu einem "normalen", einem gesünderem Zinsniveau nur noch eine Frage der Zeit ist. Ein Zinsniveau, das diesen Namen auch verdient.

Befeuert wird diese Hoffnung von der anhaltenden Diskussion, die amerikanische Notenbank könnte bald - möglicherweise schon in diesem September - beschließen, ihren Leitzins anzuheben und damit die Zinsen weltweit nach oben treiben. Manche Experten sprechen in diesem Zusammenhang von der "Zinswende", die kurz bevorstehe. Aber ist das tatsächlich so?

Im Grunde genommen hat sich das wirtschaftliche Umfeld in den vergangenen Wochen und Monaten nicht verändert. Ein Boom, der ein deutlich höheres globales Zinsniveau rechtfertigen würde, ist jedenfalls nicht in Sicht, ganz im Gegenteil. Die Konjunkturdaten sind zuletzt enttäuschend ausgefallen - in den USA und Europa, aber auch in verschiedenen Schwellenländern, in China beispielsweise, der für das globale Wirtschaftswachstum so bedeutenden Volkswirtschaft.

Der Zinsanstieg in der Eurozone ist nicht zuletzt darauf zurück zu führen, dass die Mitgliedsstaaten im Mai besonders viele Anleihen begeben haben. Das Angebot hat die Nachfrage überstiegen, was dazu geführt hat, dass die Anleihekurse gefallen und die Renditen geklettert sind. Spätestens im Juli wird sich das Verhältnis jedoch umkehren; die Staaten werden im Jahresverlauf weniger Anleihen begeben, die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihren Anleihekäufen das Angebot verknappen und damit das Zinsniveau erneut drücken.

Sollte Griechenland tatsächlich irgendwann aus der Währungsgemeinschaft ausscheren, wird die Notenbank ihre Anleihekäufe vermutlich sogar deutlich ausweiten, um zu verhindern, dass sich die Krise auf andere Eurostaaten - auf Portugal, Italien, Spanien oder gar Frankreich - ausdehnt.

Und die amerikanische Notenbank? Sie wird ihren Leitzins nur in homöopathischen Dosen anheben können, weil die amerikanische Wirtschaft, insbesondere der Immobilienmarkt, nach wie vor anfällig sind und einen deutlich höheren Zins vermutlich nicht verkraften würden.

Mit der seit Monaten anhaltenden Diskussion über die bevorstehende Zinsanhebung wollen die Notenbanker vor allem eines: der Welt zeigen, dass sie handlungsfähig sind - "sehet her, wir könnten, wenn wir wollten. Verlasst euch lieber nicht darauf, dass das Geld auf ewig günstig bleibt." Etwas Verbalhygiene, wenn man so will, die verhindern soll, dass sich die Investoren an der Börse allzu sorglos bewegen.

Womöglich hebt die amerikanische Notenbank den Leitzins im September tatsächlich an. Ich würde aber davon ausgehen, dass dies keine Trendwende hin zu nachhaltig höheren Zinsniveaus markiert. Es spricht sehr viel dafür, dass der Zins weltweit relativ niedrig bleibt - sehr viel länger, als sich das viele Sparer heute vorstellen mögen. Anders lassen sich die horrenden Staatsschulden in vielen Industrieländern dauerhaft schlicht nicht bezahlen.

Anleger, die in diesem Umfeld die Kaufkraft ihres Vermögens langfristig erhalten wollen, kommen deshalb nicht umhin, einen Teil davon in Aktien zu investieren. Nicht irgendwelche Aktien, nicht der breite Markt, sondern echte Qualitätstitel - Aktien von Unternehmen, die robust wachsen, verlässlich Gewinne erzielen und Dividenden ausschütten, global aufgestellt und wenig verschuldet sind. Allein mit Sparbuch und Festgeld wird sich die Inflationsrate langfristig jedenfalls nicht ausgleichen lassen.

Warten Sie besser nicht auf die Zinswende - sie wird sobald nicht kommen.

DER AUTOR IST GRÜNDER UND VORSTAND DER FLOSSBACH VON STORCH AG IN KÖLN.

(RP)
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