Düsseldorf Vorsicht bei den neuen Börsen-Stars

Düsseldorf · Am Mittwoch und Donnerstag starten Zalando und Rocket Internet am Aktienmarkt. Ähnlich wie bei der Emission der Aktien der chinesischen Online-Plattform Alibaba kennt die Euphorie keine Grenzen. Analysten sind eher vorsichtig.

Seit gut einer Woche wird die Aktie der chinesischen Online-Plattform Alibaba an der Börse gehandelt. Die Beurteilung dessen, was seither passierte, ist eine Frage der Perspektive. Wer es gut meint, verweist darauf, dass die Aktie gestern zum Ende des Börsenhandels gut drei Prozent über dem Ausgabepreis von 68 Euro lag. Andere verweisen darauf, dass das Papier nach dem erwarteten Hype des ersten Tages, der den Kurs um 38 Prozent nach oben trieb, mittlerweile ein Viertel dieses Höchstwertes wieder eingebüßt hat. Auch gestern ging es um 1,7 Prozent nach unten.

Ein Phänomen, das man nach Kurs-Höhenflügen zu Beginn häufiger sieht, weil Anleger schnelle Gewinne mitnehmen. So etwas könnte auch drohen bei den beiden großen Börsengängen dieser Woche, Zalando und Rocket Internet. Die erwartete Börsenbewertung der beiden Unternehmen, die zu großen Teilen im Besitz von Beteiligungsgesellschaften sind, entspricht ungefähr der bei der Deutschen Lufthansa. Ihr Start am Aktienmarkt (Zalando am Mittwoch, Rocket Internet am Donnerstag) sorgt schon im Vorfeld der Erstnotierung für gewaltiges Aufsehen.

Die Euphorie vor dem Börsengang, kennt, ähnlich wie vergangene Woche bei Alibaba, keine Grenzen - wenn auch mehrere Nummern kleiner. Aber immerhin: Rocket Internet kommt wegen der hohen Nachfrage schon eine Woche früher als geplant an die Börse und will 1,5 Milliarden Euro erlösen, Zalando plant Einnahmen von mehr als 600 Millionen Euro, was auch noch einem der größten Internet-Börsengänge seit dem Kollaps am Neuen Markt zu Beginn des Jahrtausends gleichkommt. Gestern hieß es, alle angebotenen Anteile seien platziert. Die Aktien seien "im oberen Bereich" der Preisspanne von 18 bis 22,50 Euro verkauft worden. Dazu wollte sich Zalando nicht äußern.

Die öffentliche Wahrnehmung bei den Börsen-Spektakeln ist das eine, nachhaltiger Erfolg mit entsprechenden Kursgewinnen das andere. Und da haben Experten durchaus Zweifel. Jene, die auf den schnellen Euro aus sind, könnten bei beiden Unternehmen ihren Schnitt machen, wenn sie rasch wieder verkaufen. Aber was ist mit einer Anlage auf Dauer?

Der durch den markerschütternden Werberuf "Schrei vor Glück" bekannt gewordene Online-Händler Zalando machte zwar mit gewaltigen Wachstumsraten in den vergangenen Jahren auf sich aufmerksam und hat im ersten Halbjahr 2014 erstmals schwarze Zahlen gerschrieben. Doch weder das Umsatzplus von knapp 30 Prozent auf rund eine Milliarde Euro noch ein Vorsteuergewinn von zwölf Millionen Euro (nach einem Minus von 109 Millionen Euro im Vorjahr) können darüber hinwegtäuschen, dass die Bewertung von Zalando nach Expertenmeinung viel zu hoch ausfällt. "Die Berliner Zeitung" veröffentlichte jüngst eine Rechnung, nach der der Online-Händler bei einem Kundenstamm von rund 14 Millionen und 149 Euro Verdienst pro Kunde (allerdings auf Jahre vorausberechnet) auf einen Marktwert von 2,1 Milliarden Euro käme. Das sind kaum zwei Fünftel der angepeilten Börsenbewertung. Um beides auch nur annähernd in Einklang zu bringen, braucht Zalando also einen größeren Kundenkreis, oder die Kosten müssen deutlich runter. Insofern bleibt Zalando eine Wette auf die Zukunft.

Mit noch mehr Unsicherheit scheint Rocket Internet behaftet. Die Start-up-Schmiede ist nämlich nur die Holding, die an vielen Unternehmen beteiligt ist. Die Crux: Die großen Beteiligungen haben im vergangenen Jahr zusammengerechnet fast eine halbe Milliarde Euro Verlust eingebrockt. Und in was Rocket Internet so alles investiert, bleibt dem Normal-Anleger auch größtenteils verborgen.

Viel Unsicherheit also. Christian Hamann, Analyst der Hamburger Sparkasse, lieferte jüngst ein einfaches Argument, was die Aussichten angeht: "Wenn Unternehmen noch nicht einmal nachhaltig die Gewinnschwelle überschritten haben, ist es umso schwerer, die Werthaltigkeit solcher Aktien einzuschätzen." Ein Satz, den sich jeder potenzielle Investor noch einmal vor Augen halten sollte, ehe er zugreift.

(RP)
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