Wolfsburg VW-Aktien: Experten skeptisch

Wolfsburg · Der Kursanstieg von gestern ändert nichts am Negativurteil von Analysten.

Es gibt Tage, da ist es für VW-Anteilseigner mehr oder weniger egal, ob sie Eigentümer einer Stamm- oder einer Vorzugsaktie sind. Zwei Tage haben sie gemeinsam gelitten, weil die Papiere je 40 Prozent an Buchwert verloren, gestern ging es für beide Aktiengattungen vergleichsweise steil rauf. Knapp 3,4 Prozent legte die Vorzugsaktie bis zum Nachmittag zu, fast 4,5 schaffte die Stammaktie bis dahin. Am Abend lag die Stammaktie sogar fast sieben Prozent im Plus. Womöglich hat die Demission von Konzernchef Martin Winterkorn für zusätzlichen Aufschwung gesorgt.

Das Kursplus ist ein kleiner Trost nach dem Absturz von Montag und Dienstag. Wirklich helfen können solche Verweise aber natürlich nicht. Und womöglich war der Anstieg gestern auch nur ein Strohfeuer. Die Frage, ob man jetzt VW-Aktien kaufen sollte, beantworten jedenfalls viele Analysten mit "nein". "Die Strafzahlungen werden schmerzhaft sein", urteilt beispielsweise die Deutsche Bank. Das Geldhaus hat seine Gewinnerwartung für VW für die Jahre 2015 bis 2017 um mehr als ein Drittel gekürzt und dabei die Strafzahlungen, die dem Konzern drohen, auf rund fünf Milliarden Euro veranschlagt. Aus der Deutsche-Bank-Analyse lässt sich folgern, dass der Gewinnwarnung vom Dienstag weitere Negativmeldungen folgen könnten.

Mehrere andere Analysten haben die VW-Aktie seit Montag zurückgestuft, einige andere urteilen vorerst gar nicht mehr über das Papier von Europas größtem Autobauer. Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler hat schon für den schlimmsten Fall einen Kursrückgang auf 90 Euro vorausgesagt - wenn das stimmte, wäre es für einen Einstieg als Aktionär noch zu früh. Und für jene, die schon im VW-Boot sitzen, die Erkenntnis, dass es länger dauern kann, bis sie ihre Einstiegskurse wiedersehen.

Ob man VW-Aktien kaufen will oder nicht, hängt andererseits nicht nur an der Einschätzung, ob der Kurs in näherer Zukunft steigt oder fällt. Man muss sich auch darüber klar werden, ob man Stamm- oder Vorzugsaktien haben will. Die eine bietet ein uneingeschränktes Stimmrecht bei den Hauptversammlungen, auf dass die Vorzugsaktionäre verzichten. Dafür werden letztere bei der Dividende bevorzugt, auch wenn der Unterschied oft nur ein paar Cent ausmacht.

Bei VW heißt das in Zahlen: Die Vorzugsaktionäre bekamen für das vegangene Jahr 4,86 Euro je Anteilsschein, die Stammaktionäre sechs Cent weniger. Jahrelang waren die Stammaktien des Konzerns im Deutschen Aktien-Index (Dax) notiert, bis durch die Stimmrechtsbündelung bei der heutigen Konzerngesellschaft Porsche und dem Land Niedersachsen der Streubesitz so gering wurde, dass es nicht mehr für die oberste Börsen-Liga reichte. Seit 2009 ist Volkswagen stattdessen mit der Vorzugsaktie vertreten.

4,80 Euro oder etwas mehr an Dividende - das entspricht beim aktuellen Kurs etwa fünf Prozent Verzinsung. Die Dividendenrendite ist in der Niedrigzinsphase äußerst attraktiv. Und da die Schätzungen für die jährliche Ausschüttung an VW-Stammaktionäre für das laufende Jahr bislang bei 5,73 Euro je Aktie liegen, wäre ein Investment immer noch lukrativ. Aber: Niemand weiß, ob VW für 2015 überhaupt noch eine Ausschüttung vornimmt angesichts von 6,5 Milliarden Euro Rückstellungen fürs dritte Quartal und möglichen weiteren Belastungen im letzten Vierteljahr. Fazit: Ein Investment in die VW-Aktien ist eine Wette darauf, wie schnell der Konzern die Krise in den Griff bekommt.

(RP)
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