Frankfurt/M. VW-Aktien legen trotz Quartalsverlust zu

Frankfurt/M. · Der neue Konzernchef legt einen Fünf-Punkte-Plan vor. Das Ziel, größter Autobauer der Welt zu werden, fehlt darin.

Die neuesten Quartalszahlen bei Volkswagen waren so mies wie erwartet. Die gute Nachricht: Sie waren nicht schlechter. Das muss aber nicht so bleiben. Der neue VW-Chef Matthias Müller legte gestern einen Fünf-Punkte-Plan vor: helfen, aufklären, dezentralisieren, offener werden und mehr Elektroantriebe - das mündet in seine "Strategie 2025".

Auf fast 110 Euro um rund vier Prozent stiegen die Vorzugsaktien von VW gestern zum Tageshoch. Die Börse war erleichtert, dass die Quartalsbilanz bei VW nicht schlimmer als erwartet war: "Die Katze ist jetzt aus dem Sack", sagte Robert Halver, Marktstratege der Baader Bank. Aber wer die Zahlen genauer anschaue, stelle fest: "Die operative Substanz ist nach wie vor vorhanden beim Volkswagenkonzern."

Wegen des Skandals rufen die Wolfsburger elf Millionen Autos weltweit in die Werkstätten zurück - das kostet. VW hat dafür die angekündigten Rückstellungen von 6,5 Milliarden Euro auf 6,7 Milliarden Euro angehoben.

Wer sich jedoch weitgehende Details zu dem Skandal gewünscht hatte, wurde enttäuscht. Im Begleittext zur Quartalsbilanz wurde erst einmal ausführlich die Herbstbilanz dargestellt, also die Monate von Januar bis September. Da kam beim operativen Ergebnis noch eine schwarze Zahl heraus. Im dritten Quartal alleine aber hat sich das laufende Ergebnis nach den milliardenschweren Rückstellungen deutlich verschlechtert. Zum ersten Mal seit gut 20 Jahren wies VW einen Quartalsverlust aus, und das gleich deftig: knapp 3,5 Milliarden Euro. Vor einem Jahr waren es noch 3,2 Milliarden Euro operativer Gewinn. Der Vergleich des operativen Ergebnisses "vor Sondereinflüssen" fiel deutlich gnädiger aus: Der sank im dritten Quartal nur um 0,7 Prozent auf 3,2 Milliarden Euro.

Der neue Chef Matthias Müller stellte das Zahlenwerk gestern persönlich vor. Denn es ging in erster Linie nicht um die Zahlen, sondern darum, Flagge zu zeigen. Müller sagte, VW wolle Vertrauen zurückgewinnen bei Investoren, Kunden, Händlern, Politikern und der gesamten Öffentlichkeit.

Bisher scheint das zu gelingen. Zwar wurden in den ersten neun Monaten weltweit 7,4 Millionen Fahrzeuge ausgeliefert, 1,5 Prozent weniger als 2014. Das lag aber vor allem an sinkenden Verkaufszahlen in Schwellenländern wie Brasilien, Russland und China.

Müller listete in fünf Punkten seine Prioritäten auf: erstens den Kunden durch die Rückrufe helfen. Zweitens die Wahrheit herausfinden und die Schuldigen bestrafen. VW brauche drittens eine neue dezentrale Struktur und viertens eine Kultur, in der Offenheit zähle. Und fünftens entwickle er eben die "Strategie 2025". Das Ziel, größter Autobauer der Welt zu werden, kommt darin nicht mehr vor. Sein Vorgänger Martin Winterkorn hatte das zwischenzeitlich erreicht mit seiner "Strategie 2018". Müller sagte dazu: "Dem wurde vieles untergeordnet, vor allem die Umsatzrendite." Müller setzt auch vermehrt auf Elektroantriebe.

Unterdessen hat sich Experten in Brüssel auf einen Rahmen für neue Auto-Abgastests in Europa geeinigt. Die Werte, die bei realistischeren Straßentests gemessen werden, dürfen für Dieselfahrzeuge dabei künftig um die Hälfte höher sein als im Labor. Damit werden die Regeln strenger als bisher, aber weniger scharf als von der EU-Kommission ursprünglich geplant. Nach Ansicht von Experten wäre Betrug bei den Abgaswerten wie bei VW in Straßentests schwieriger machbar als im Labor.

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, sprach von einer "zynischen Entscheidung": "Europäische Automobilhersteller werden für ihre Dreistigkeit belohnt, keine Anstrengungen zu unternehmen, die europäischen Regeln einzuhalten und ihre Fahrzeuge zu verbessern", teilte sie mit. Die Fraktion wolle rechtliche Schritte prüfen, erklärte ihr Kollege Martin Häusling. Mit dem Votum der Experten ist die Entscheidung im Prinzip gefallen, das Europaparlament und die EU-Staaten haben aber noch Prüfrechte.

(RP)
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