Wahlen in Griechenland Tsipras strebt absolute Mehrheit an

Berlin · Griechen wählen am 20. September eine neues Parlament. Nach dem Rücktritt des griechischen Ministerpräsidenten führt eine Richterin die Übergangsregierung. ESM-Rettungsschirm-Chef Regling rechnet mit IWF-Beteiligung im Herbst.

Das A und O der Griechen-Krise
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Foto: afp, lg/JH

Der zurückgetretene griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras pokert hoch: Bei Neuwahlen am 20. September soll seine Syriza-Partei die absolute Mehrheit gewinnen, obwohl ihr der linke Flügel abhanden gekommen ist. Er wolle mit keiner der etablierten Partei koalieren, sagte Tsipras im griechischen Staatsfernsehen. Dies gelte sowohl für die konservativen Nea Demokratia als auch für die Sozialisten von der Pasok oder die Sozialliberalen von der Partei To Potami. Bislang habe er sich auf die Verhandlungen mit Gläubigern konzentrieren müssen, nun brauche er ein neues starkes Mandat, um das Land auf Wachstumskurs zu bringen.

Tsipras ist der mit Abstand populärste Politiker in Griechenland. Er hat jedoch zentrale Wahlversprechen gebrochen, um ein drittes Hilfspaket durchsetzen zu können. Ein Viertel der Syriza-Abgeordneten des linken Flügels hatten die Fraktion deshalb verlassen und eine neue Partei gegründet. In Umfragen beginnt der Vorsprung der Syriza-Partei von Tsipras zu sinken. Die absolute Mehrheit dürfte er kaum erreichen. Die Geldgeber setzen daher weiterhin auf ein Bündnis von Syriza mit einer der drei gemäßigten Parteien. Ein Erstarken der extremen Rechten und Linken würde das Land weiter destabilisieren.

Bis zur Wahl soll die Präsidentin des höchsten Gerichtshofes, Vasiliki Thanou, eine Interimsregierung führen. Zuvor waren alle Bemühungen gescheitert, in den Reihen des bestehenden Parlaments eine neue Regierungsmehrheit zu finden.

Tsipras sagte in dem ersten Interview seit seinem Rücktritt vom Amt des Premiers vergangene Woche, die Griechen dürften die Schuld für ihre desolate Wirtschaftslage nicht immer nur im Ausland suchen. Statt dessen müssten Steuerhinterziehung und Korruption bekämpft werden. Von der Umsetzung der mit den Geldgebern vereinbarten Reformen auf dem Arbeitsmarkt sowie im Renten- und Steuersystem sprach er nicht explizit.

Die Tsipras-Regierung hatte sich im Gegenzug für frische Hilfskredite von bis zu 86 Milliarden Euro in den nächsten drei Jahren zu einem strengen Reformprogramm verpflichtet. Großen Anteil an der Einigung mit den Geldgebern hatte der bisherige Finanzminister Euklid Tsakalotos, von dem es jetzt heißt, er werde nicht wieder amtieren. Bei den Geldgebern löste diese Nachricht Enttäuschung aus. Der Chef des Euro-Rettungsschirms ESM, Klaus Regling, gab sich dennoch gestern in Berlin optimistisch. Er rechne fest damit, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) im Herbst seine Bedenken überwinde und sich an dem Rettungspaket "mit bis zu 16 Milliarden Euro" beteiligen werde. Der IWF habe eingesehen, dass man für die Beurteilung der Schuldentragfähigkeit Griechenlands andere als die bisherigen Kriterien verwenden müsse, sagte Regling. Lege man den jährlichen Brutto-Finanzierungsbedarf als Kriterium zugrunde, sei die Tragfähigkeit bis 2023 gegeben, weil die Darlehen der Europäer erst danach zurückgezahlt werden müssten.

Dennoch werde es im Herbst um weitere Schuldenerleichterungen für Griechenland gehen, die der IWF zur Bedingung für seine Beteiligung am Hilfspaket gemacht hatte. Dabei werde es um eine Mischung aus Laufzeitverlängerungen für Kredite, um Zins- und Tilgungsstundungen sowie Auszahlungen von Zentralbankgewinnen an Athen gehen. Zentraler Punkt dürften die Stundungen sein: Athen wird voraussichtlich mit der Rückzahlung von Krediten erst Mitte des Jahrhunderts beginnen müssen. "Ein Schuldenschnitt wird aber nicht auf der Tagesordnung stehen", so Regling.

(mar)
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