Brüssel/Berlin Wallonie beendet die Ceta-Blockade

Brüssel/Berlin · Nachdem Belgien seinen Konflikt beilegen konnte, kündigt die Linke ein Veto gegen den Freihandelsvertrag mit Kanada im deutschen Bundesrat an. Ob und wann der Vertrag unterzeichnet werden kann, bleibt auch deshalb weiter offen.

Kaum hat Belgien seinen innerstaatlichen Konflikt über das europäisch-kanadische Freihandelsabkommen Ceta auflösen können, droht eine neue Hürde - in Deutschland. Die Fraktionschefin der Linken im Bundestag, Sahra Wagenknecht, kündigte an, ihre Partei werde im Bundesrat ein Veto gegen Ceta organisieren. EU-Kommission und Bundesregierung müssen diese Drohung ernst nehmen, denn aller Voraussicht nach wird das Abkommen ohne eine Bundesratszustimmung nicht ratifiziert werden können. Neben den Linken sind auch die Grünen gegen Ceta. Beide regieren in zwölf Bundesländern mit - und könnten so eine Mehrheit für Ceta verhindern.

Bis dahin dürften allerdings noch Jahre vergehen, denn der Ratifizierungsprozess in allen 28 EU-Ländern beansprucht viel Zeit. In dieser Zeit könnten sich die Mehrheiten im Bundesrat wieder verändern.

Die Bestandteile von Ceta, die allein in die Zuständigkeit der EU fallen, sollten aber bereits vorläufig in Kraft treten. Dabei geht es vor allem um die Senkung von Zöllen und die Angleichung von Normen für Produkte und Dienstleistungen. Das vorläufige Inkraftsetzen ist allerdings auch nur nach der Vertragsunterzeichnung möglich. Die war ursprünglich gestern geplant auf einem EU-Kanada-Gipfel. Der kanadische Premier Justin Trudeau sagte den Gipfel in der Nacht zum Donnerstag ab, weil sich Belgien bis dahin noch nicht hatte einigen können - eine Blamage für die EU.

Erst danach gelang in Belgien gestern der Durchbruch. Die Zentralregierung einigte sich mit den französischsprachigen Regionen Wallonien und Brüssel auf eine Zusatzerklärung, die deren Kritikpunkten an Ceta Rechnung trage, sagte Belgiens Ministerpräsident Charles Michel. Der Ceta-Vertragstext wird nicht geändert. Verschiedene belgische Parlamente haben jetzt noch bis Mitternacht am Freitag Zeit, zu der Einigung Stellung zu nehmen. Die Zusatzerklärung muss zudem auch von allen 27 EU-Staaten und von Kanada noch akzeptiert werden, bevor es zu einer Vertragsunterzeichnung kommen kann.

Die Bedenken der Regionen Wallonien und Brüssel richteten sich gegen zwei Punkte: die umstrittene Klagemöglichkeit großer Konzerne gegen Nationalstaaten vor einem nicht-nationalen Investitionsgerichtshof sowie Gefahren für Landwirte, die im Wettbewerb mit kanadischen Anbietern ins Hintertreffen geraten könnten. Im ersten Punkt setzten die Regionen durch, dass die Vereinbarkeit des in Ceta vorgesehenen Schiedsgerichts-Verfahrens mit EU-Recht durch ein weiteres Gutachten beurteilt werden soll.

Kanada erklärte sich bereit, das Abkommen auch zu einem späteren Zeitpunkt noch zu unterzeichnen. "Kanada bleibt bereit, diese wichtige Vereinbarung zu unterschreiben, wenn Europa bereit ist", sagte ein Sprecher der Handelsministerin Chrystia Freeland. EU-Ratspräsident Donald Tusk will Kanadas Regierungschef Trudeau jedoch erst dann wieder benachrichtigen, wenn alle nötigen Abstimmungsverfahren in der EU beendet sind.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) lobte gestern die große Geduld Kanadas mit Europa. "Ich vermute, kein anderer Partner in der Welt hätte so viel Geduld gehabt wie die kanadische Regierung", hatte er am Morgen erklärt. Nach der belgischen Einigung zeigte sich Gabriel erleichtert."Ich freue mich natürlich darüber, dass sich die Belgier untereinander geeinigt haben und damit der Weg für Europa und Kanada freigemacht wurde", sagte der SPD-Chef.

Er wies Kritik der Wirtschaftsverbände daran zurück, dass die EU-Kommission unter anderem auf Druck Berlins Ceta zu einem "gemischten Abkommen" erklärt hatte, das von allen 28 Parlamenten ratifiziert werden muss. Wer glaube, man könne einen solchen Vertrag ohne Beteiligung der Nationalstaaten durchpauken, gehe fehl, so Gabriel.

Dagegen kritisierte der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, Gabriel und Juncker erneut scharf. "Eine kleine Region hat die EU kompromisslos und gegen den Willen der Mehrheit in ihrer Kernkompetenz blockiert. Das ist kein Sieg der Demokratie, das ist politische Geiselhaft", sagte er. Auch Außenhandelspräsident Anton Börner sagte: "Es war ein Fehler, die nationalen Parlamente zu beteiligen." Das sei ein "Spiel mit dem Feuer". Mit Blick auf künftige Handelsabkommen bleibe ein "bitterer Beigeschmack".

Eine erneute Blamage würde der EU drohen, sollte das Abkommen in einigen Jahren am Veto des Bundesrats in Deutschland scheitern. "Gemischte Abkommen" der EU müssen in Deutschland vom Bundestag und vom Bundesrat gebilligt werden. Das Ceta-Gesetz werde höchstwahrscheinlich in der Länderkammer zustimmungspflichtig sein, hieß es in Berlin.

(mar)
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