Angst vor fallenden Preisen Warum Deflation Gift für die Wirtschaft ist

Düsseldorf · In Deutschland stiegen die Verbraucherpreise im November nur noch um 1,3 Prozent. Das klingt gut. Manche Ökonomen sehen sogar schon fallende Preise. Was sich gut anhört, hätte auf Dauer negative Folgen für Wachstum und Beschäftigung.

Autofahren ist derzeit eine vergleichsweise preiswerte Angelegenheit. Der Liter Super kostet teils weniger als 1,50 Euro, Diesel unter 1,40 Euro. Der Preisverfall an den Zapfsäulen hat Konsequenzen. Er hat die Inflationsrate im Oktober in Deutschland auf nur noch 1,2 Prozent gedrückt. Und damit sind wir nicht einmal Spitzenreiter in der Euro-Zone. Im Schnitt liegt die Preissteigerungsrate im Währungsraum bei 0,7 Prozent. Das einstige Schreckgespenst Inflation ist bei den Ökonomen durch ein anderes Horrorszenario abgelöst worden — die Deflation. Aus Furcht davor senkte die Europäische Zentralbank jüngst den Leitzins auf 0,25 Prozent.

Was ist Deflation?

Preise für Waren und Dienstleistungen sinken deutlich über einen längeren Zeitraum. Die Ursachen liegen sowohl bei Verbrauchern als auch bei Unternehmen. In einem Abschwung kaufen die einen weniger, weil sie sinkende Einkommen fürchten, mehr sparen und somit weniger Güter nachfragen. Die anderen investieren weniger. Die Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen fällt, der Preis auch.

Warum schadet Deflation?

Zunächst sollte man glauben, dass Deflation für den Verbraucher positiv ist, weil die Kaufkraft seines Einkommens steigt. Aber wenn das über einen längeren Zeitraum anhält, sinkt die Kaufbereitschaft der Verbraucher. Denn wer glaubt, dass das neue Auto in einigen Monaten noch preiswerter zu haben ist als jetzt, verschiebt den Kauf. Konsequenz: Beim Autobauer und dessen Zulieferern sind Produktionsanlagen nicht ausgelastet. Der Absatz sinkt, die Unternehmen müssen Kosten sparen und womöglich Personal abbauen. Das bedeutet: die Einkommen sinken, in der Folge die Preise auch, und der Teufelskreislauf geht weiter. Man spricht von einer Deflationsspirale.

Hilft eine Zinssenkung?

Theoretisch ja. Eine Zinssenkung soll Unternehmen dazu ermutigen, mit Hilfe von Krediten stärker zu investieren, und Verbraucher zum Konsum animieren. Das ist aber zunächst nur Theorie. Glauben die Bürger an eine Fortsetzung der Wachstumsschwäche, wird dieses Mittel auf Dauer keinen Erfolg haben. Erst recht nicht, wenn es wie aktuell in Südeuropa den Unternehmen nicht an billigen Krediten fehlt, sondern an Wettbewerbsfähigkeit.

Was ist mit Schulden/Vermögen?

Wer Schulden hat, der hat bei Deflation schlechte Karten. Was auf Pump gekauft wurde, hat einen geringeren Wert als vorher, während die Rückzahlungsverpflichtung in Euro dieselbe bleibt. Dagegen profitieren jene, die Geldvermögen besitzen, weil man mit dem gleichen Kapital mehr Güter und Dienstleistungen kaufen kann als vorher.

Viel Liquidität, wenig Inflation?

Auf den ersten Blick passt das nicht zusammen. Die Notenbanken in Europa und Amerika haben viel Geld in den Markt gepumpt, was normalweise zu höheren Inflationsraten führen müsste. Die sieht man aber nicht in den Verbraucherpreisen, sondern nach Einschätzung von Experten vor allem in den Preisen für Vermögensgüter. Das gilt

für Aktien, wo manche nach dem Anstieg über mehr als 9000 Punkte Rückschlagpotenzial sehen;

für Anleihen, bei denen wegen hoher Kurse die Rendite deutlich gesunken ist;

für Gold, dessen Preis in der Vergangenheit wegen der Furcht vor Inflation in astronomische Höhen geklettert ist und der trotz jüngster Rückgänge immer noch bei etwa 1300 Dollar liegt. Auch hier gibt es Marktbeobachter, die denken, der Preis könnte noch einmal um 20 bis 30 Prozent fallen.

(RP)
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