Berlin/Düsseldorf Wenn die Eltern ins Pflegeheim müssen

Berlin/Düsseldorf · Heimplätze kosten oft 4000 Euro im Monat und mehr. So werden Vermögen und Einkommen der Angehörigen herangezogen

Jahrzehntelang wollten Vater und Sohn nichts voneinander wissen. Der Vater hatte den Sohn sogar enterbt. Dennoch muss der Sohn nun 9000 Euro für den Pflegeheimaufenthalt des Vaters nachzahlen. So entschied es gestern der Bundesgerichtshof (BGH) in einem vielbeachteten Urteil. Es wirft zahlreiche Fragen auf.

Worum ging es im aktuellen Fall? Ein zuletzt pflegebedürftiger Vater hatte vor mehr als 40 Jahren den Kontakt zu seinem damals 18-jährigen Sohn abgebrochen und ihn zudem enterbt. Der Vater kam 2009 in ein Pflegeheim. Die Kosten für seinen dreijährigen Pflegeheimaufenthalt bis zu seinem Tod im Jahr 2012 konnte der Vater nicht mehr selbst aufbringen. Die Stadt Bremen zahlte rund 9000 Euro der Heimkosten für den Vater und fordert diese nun von dem Sohn zurück.

Wie begründet der Bundesgerichtshof sein Urteil?

"Zwar mag der Vater durch sein Verhalten das familiäre Band zu seinem volljährigen Sohn aufgekündigt haben. Andererseits hat er sich in den ersten 18 Lebensjahren seines Sohnes um diesen gekümmert", heißt es in dem Richterspruch. Er habe daher gerade in der Lebensphase, in der regelmäßig eine besonders intensive elterliche Fürsorge erforderlich sei, seinen Elternpflichten im Wesentlichen genügt.

Welche Folgen hat das Urteil?

Eltern dürfen den Kontakt zu ihren erwachsenen Kindern abbrechen, ohne dadurch später den Anspruch auf Unterhalt zu verlieren. Der Kontaktabbruch gegenüber erwachsenen Kindern ist noch keine "schwere Verfehlung", die zum Verlust des Unterhaltsanspruchs führt.

Wer muss für die Pflegekosten der Eltern aufkommen?

Grundsätzlich sind Ehepartner (auch getrennt lebende) und Verwandte in gerader Linie verpflichtet, für ihre pflegebedürften Angehörigen aufzukommen. Das sind Eltern für ihre Kinder oder Kinder für ihre Eltern. Allerdings muss der Nachwuchs nicht fürchten, sein gesamtes Kapital zu verlieren. Je nach Einkommen und Vermögen werden die zu übernehmenden Kosten für jedes Kind individuell berechnet.

Was müssen Kinder für ihre pflegebedürftigen Eltern zahlen?

Kinder werden gemäß ihrer Leistungsfähigkeit herangezogen. Diese ergibt sich aus ihren gesamten Einkünften — Gehältern, Zinsen aus Kapitalvermögen, Mieteinnahmen. Dabei billigt der Staat jedem Kind einen Selbstbehalt von 1600 Euro pro Monat zu. Für den Ehegatten des Kindes gilt ein Betrag von 1280 Euro, für den Ehepartner des Pflegebedürftigen von 1100 Euro. Hinzu kommt die Hälfte des darüber liegendes monatlichen Nettogehalts. Hat ein Kind etwa monatliche Netto-Einkünfte von 3000 Euro, werden davon 1600 Euro Selbstbehalt abgezogen. Von den verbliebenen 1400 Euro werden nochmals die Hälfte abgezogen. Verbleiben 700 Euro, die für die Pflegekosten herangezogen werden könnten. Kinder können aber auch noch weitere Belastungen geltend machen. Dazu zählen etwa die Kreditkosten für ein Eigenheim, Zahlungen in die eigene Altersvorsorge sowie vorrangige Unterhaltskosten für die eigenen Kinder.

Was passiert mit dem Vermögen?

Wenn die Mutter oder der Vater ins Pflegeheim kommt, wird sofort eine Pflegestufe festgelegt, nach der sich die Beträge richten, die die gesetzliche Pflegeversicherung übernimmt. Für die höchste Pflegestufe III bezahlt die Versicherung für einen Heimplatz rund 1400 Euro im Monat, für die niedrigste etwa 1000 Euro. Heimplätze kosten aber in der Regel 4000 Euro. Bis das Sozialamt für die Differenz aufkommt, ist das Vermögen der Eltern häufig schon aufgezehrt. Das Sozialamt wendet sich dann an die Kinder. Grundsätzlich können die Ämter von den Kindern die Verwertung ihres Vermögens verlangen. Geschützt sind aber eine angemessene selbst genutzte Immobilie und/oder eine angemessene Altersvorsorge sowie "Schonvermögen", das je nach Einzelfall zwischen 10 000 und 75 000 Euro betragen kann. Nicht selbst genutzte Immobilien müssen verkauft werden, wenn sie nicht als eigene Altersvorsorge eingestuft werden.

Lassen sich Pflegekosten wenigstens von der Steuer absetzen?

Ja, Pflegekosten lassen sich als außergewöhnliche Belastung von den zu versteuernden Einnahmen absetzen. Allerdings zieht das Finanzamt von den gezahlten Kosten die selbst zu tragende "zumutbare Belastung" ab. Diese ist wiederum abhängig vom Familienstand, der Kinderzahl und dem Einkommen. Wer zwischen 15 300 Euro und 51 130 Euro verdient, muss als Single beispielsweise Pflegekosten in Höhe von sieben Prozent des Einkommens selber tragen, wer verheiratet ist und ein oder zwei Kinder hat, muss drei Prozent des Einkommens für die Pflege ausgeben und darf nur den darüber liegenden Teil von der Steuer absetzen.

Wie lassen sich die Pflegekosten im konkreten Einzelfall senken?

Es gibt auch günstigere Pflegeheime. Zudem können Pflegekräfte in leichteren Fällen auch ins Haus kommen. Dies kostet meistens rund 2000 Euro im Monat und wird von verschiedenen Organisationen wie "Hausengel" organisiert. Bei Pflegestufe III für den Pflegebedürftigen würden 700 Euro im Monat von der Pflegeversicherung abgedeckt, den Rest müssten der Pflegebedürftige und die Angehörigen selber zahlen.

(mar)
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