Flughafen-Ausbau in Frankfurt Wie Roland Koch die Anwohner austrickste

Frankfurt/M. (RPO). Der Frankfurter Flughafen bekommt eine vierte Startbahn. Im Gegenzug wurde den Anwohnern ein Nachtflugverbot versprochen. Dieses Wort hat Hessens Regierung gebrochen. Ein Fehler, denn in fünf Wochen finden die Landtagswahlen statt.

Chronik zum Ausbau des Frankfurter Flughafens
Infos

Chronik zum Ausbau des Frankfurter Flughafens

Infos
Foto: AP

Roland Koch (CDU) manövrierte sich in eine gefährliche Sackgasse. Nicht, weil seine Regierung den massiven Ausbau des Frankfurter Flughafens um eine vierte Startbahn genehmigt hat. Diese Entscheidung, obschon umstritten, galt den meisten als ohnehin unvermeidbar. Sein Fehler war, dass er den leidgeprüften Anwohnern als Trost für den Flughafenausbau ein Nachtflugverbot versprochen hatte. Und dieses Versprechen jetzt nicht hält: Die unterzeichnete Ausbaugenehmigung für den Frankfurter Airport sieht zwischen 22 und 6 Uhr 150 Flugbewegungen vor, 17 davon zwischen 23 und 5 Uhr.

Entsprechend laut war gestern die Empörung. "Wortbruch", "Täuschung" und versuchte "Volksverdummung" sind die wesentlichen Vorwürfe, mit denen Opposition, Flughafen-Anwohner und Umweltschützer Koch jetzt überhäufen. Schließlich hatte der Flughafenbetreiber Fraport das Nachtflugverbot ja selbst beantragt. Als Zeichen des guten Willens, das den Ausbau beschleunigen sollte.

Koch, im Nebenberuf Aufsichtsratsvorsitzender bei Fraport, hatte sich für diesen Schachzug mehrfach öffentlich auf die Schulter geklopft. Jetzt aber hält seine Regierung das versprochene Nachtflugverbot plötzlich für juristisch nicht durchsetzbar. Kochs Juristen verweisen auf aktuelle Urteile zu Nachtflügen an anderen Flughäfen, die für Laien kaum verständlich sind.

"Autobahnkreuz sperrt ja auch niemand"

Aber Ralf Teckentrup, Condor-Chef und Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Fluggesellschaften, brachte den Standpunkt der Nachtflug-Befürworter gestern gegenüber unserer Zeitung so auf den Punkt: "Mit Frankfurt und München hat Deutschland genau zwei Weltflughäfen. Da kann man nicht um 23 Uhr das Licht ausknipsen. Das fordert vom Autobahn-Kreuz Frankfurt ja auch keiner."

Die Emotionen, die Koch kurz vor der Wahl aufgewühlt hat, haben ihre Ursache nicht allein in der wankelmütigen Flughafen-Politik. Die Hessen haben noch zwei ganz andere Geschichten auf der Rechnung, deren alte Wunden Koch mit seinem Wortbruch wieder aufgekratzt hat.

Die eine ist die alte Geschichte von der "Startbahn West", dem ersten großen Erweiterungsbau des Frankfurter Flughafens. Der wütende Protest dagegen versetzte Hessen in den 1980er Jahren über Wochen in einen Ausnahmezustand: Massenschlägereien, Straßenbarrikaden und sogar zwei tote Polizisten waren damals das Ergebnis.

Altes BRD-Trauma

Auch vor dem Hintergrund dieses alten BRD-Traumas war dem heutigen Flughafenbetreiber Fraport von Anfang an klar, dass er den 1997 erstmals von der Lufthansa geforderten Ausbau nicht gegen die Bevölkerung erzwingen kann. Konsequenz war ein vor großem Publikum inszenierter "Mediationsprozess", bei dem die Konfliktparteien ab 1998 am runden Tisch über die Bedingungen des Flughafen-Ausbaus stritten - denn der Ausbau als solcher wurde als notwendig akzeptiert.

In dem Abschluss-Papier, dem unter Regie der Landesregierung auch Lufthansa, Bundesverkehrsministerium, Kommunen, Flugsicherung und Fraport zugestimmt haben, hieß es: Ausbau ja, aber "untrennbar verbunden" unter anderem mit einem "Nachtflugverbot". Nachdem die Politik sich darüber dermaßen nonchalant hinweggesetzt hat, wird sich jetzt auch in Düsseldorf so mancher Anwohner fragen, welchen Sinn die gelegentlichen Treffen mit Repräsentanten des Flughafens eigentlich haben.

Koch vorbelastet wegen Spendenaffäre

Die andere Geschichte, die bei Kochs Flughafen-Wortbruch mitschwingt, ist die Geschichte der hessischen CDU-Spendenaffäre. Koch versprach damals "brutalstmögliche Aufklärung" und verschwieg anschließend auf einer Pressekonferenz pikante Details. Ob wissentlich oder nicht - das konnte bis heute niemand nachweisen.

Aber Kochs öffentlich behauptete Ahnungslosigkeit stand in so eigentümlichem Widerspruch zu den hohen Ämtern, die Koch schon damals in der hessischen CDU hatte, dass seine Glaubwürdigkeit nicht nur als Brachial-Aufklärer bis heute darunter leidet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort