Gastbeitrag BDI-Präsident Ulrich Grillo Wir sollten Fracking eine Chance geben

Düsseldorf · In einem Gastbeitrag für die Rheinische Post schreibt Ulrich Grillo, der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, zur umstrittenen Fracking-Technologie: "Die Zeit ist reif". Heute eröffnet der BDI seinen Rohstoff-Kongress in Berlin.

Gastbeitrag BDI-Präsident Ulrich Grillo: Wir sollten Fracking eine Chance geben
Foto: dapd, Andreas Arnold

Kaum ein Thema könnte besser für eine emotionale Debatte taugen als Fracking - das Aufbrechen rohstoffreicher Gesteinsschichten unter dem Boden, auf dem wir alle leben. Da geschieht etwas im Untergrund. Es geht um Chemie, fossile Rohstoffe, brennende Wasserhähne - und um Unternehmen, die mit dieser verborgenen Arbeit ihr Geld verdienen wollen. Nicht gerade ein Gewinnerthema. Dass jeder zweite von uns mit Erdgas heizt, zum Teil bereits seit Jahrzehnten mit dieser Methode zuverlässig Gas gewonnen wird, lassen die meisten gern außer Acht.

Erdgas ist einer der wichtigsten Energieträger im deutschen Energiemix. Es heizt Wohnungen und ist wichtiger Rohstoff für unsere Industrie - auch in den kommenden Jahrzehnten. Wir werden weiterhin Erdgas brauchen - wegen der Energiewende sogar eher mehr als weniger.

Da ist es eine gute Nachricht, dass wir in Deutschland nicht nur erfahrene Unternehmen haben, sondern auch enorme eigene Schiefergaspotenziale. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) hat ermittelt, dass diese Vorkommen - bei konservativen Annahmen - ein Vielfaches dessen ausmachen, was bislang überhaupt hierzulande gefördert wurde. Deutschland könnte Experten zufolge aus heimischen Quellen so viel Erdgas fördern, wie zurzeit beispielsweise aus Russland importiert wird.

Doch wo andere Länder sich die Hände reiben, habe ich fast den Eindruck, als hätte uns nichts Schlechteres passieren können als heimische Rohstoffe. Sicherlich wäre es falsch, sich unbedacht auf Neues zu stürzen und einem Trend hinterher zu rennen, ohne seine Auswirkungen zu bedenken.

Es ist richtig, die berechtigten Sorgen und Ängste vieler Menschen ernst zu nehmen. Auch die Industrie will die Rohstoffversorgung verantwortungsvoll und nachhaltig sichern. Darüber diskutieren wir nicht nur untereinander oder mit der Politik, sondern auch mit Vertretern der Zivilgesellschaft - etwa auf unserem 4. BDI-Rohstoffkongress.

Ich finde es gut, dass es eine öffentliche Debatte über die Gewinnung von Schiefergas gibt. Die Industrie hat dazu gelernt, ist transparenter geworden, hat technische Neuerungen entwickelt. Und die Fachleute? Keine der aktuellen Studien sieht einen Anlass, Fracking generell zu verbieten.

Momentan wissen wir noch nicht alles über Vorkommen und Förderprozess. Aber Erkenntnisse gewinnen wir nicht durch Warten oder Verbote. Ich bin davon überzeugt: Was wir jetzt brauchen, sind verantwortungsvolle Pilotprojekte.

Eines ist dabei klar: Trinkwasserschutz ist nicht verhandelbar. Darum ist es vernünftig, Schiefergas nur außerhalb von Wasserschutzgebieten zu gewinnen. Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die beim Aufbrechen verwendeten Flüssigkeiten nicht ins Trinkwasser gelangen. Deutschland zeigt seit Jahrzehnten, dass Trinkwasserschutz und Fracking vereinbar sind: Die Methode kommt seit mehr als 50 Jahren in Deutschland zum Einsatz - ohne einen einzigen Umweltschaden.

Ja, heißt es gelegentlich, das sei das gute Fracking. Aber beim Schiefergas sei das alles viel schlimmer. Nur: Ist das wirklich so?

Ganz so einfach ist es nicht. Der Flächenbedarf ist dank raumsparender Konzepte nicht größer als in der konventionellen Erdgasförderung. Damit ist er gerade im Vergleich zu anderen Energieträgern gering. Wer einmal einen Erdgas-Förderplatz in Niedersachsen besichtigt, stellt fest: Viel zu sehen gibt es da nicht.

Auch bei der Fracking-Flüssigkeit hat Schiefergas Vorteile: Der Anteil der chemischen Zusätze liegt bei gerade einmal 0,2 Prozent. Der Rest ist Wasser. Die Industrie hat mittlerweile Mischungen entwickelt, in denen kein einziger giftiger Stoff mehr enthalten ist. Dazu kommen viele Jahrzehnte Routine und unsere hohen Standards "Made in Germany". Kein Zweifel: Bessere Voraussetzungen für eine schrittweise und verantwortungsvolle weitere Erkundung kann es gar nicht geben.

Gerade hat das Forschungsinstitut IHS Cambridge Energy Research Associates errechnet, dass die Nutzung von europäischem Schiefergas die deutschen Erdgaspreise um bis zu 20 Prozent reduzieren könnte. Das würde der Industrieproduktion mit vielen Millionen Arbeitsplätzen gut tun und nebenbei unsere Klimabilanz verbessern.

Es ist an der Zeit, dass die Politik dem technologischen Fortschritt in einem verantwortungsvollen Rahmen eine Chance gibt. Durch Wissenschaft und Öffentlichkeit begleitete Pilotvorhaben liefern neue Erkenntnisse - und die Basis, um klug endgültig zu entscheiden. Der Ball liegt jetzt bei der Politik, die notwendige Sicherheit für Anwohner und Investoren zu schaffen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort