Davos Wirtschaftselite bangt um Wachstum

Davos · Viele NRW-Konzernlenker wie Post-Chef Frank Appel, Haniel-Leiter Stephan Gemkow oder RWE-Chef Peter Terium reisen zum Weltwirtschaftsforum nach Davos. Offiziell ist die Digitalisierung das Hauptthema - in Wahrheit geht es um die Krisen der Welt.

Es wird ab heute wieder ein Treffen der Superlative: Mindestens 3000 US-Dollar kostet ein Hotelzimmer. Ein gutes Mittagessen verschlingt bis zu 2000 Dollar. 9000 Dollar sind jeweils für die vielen Hubschrauberflüge zum Flughafen Zürich fällig - denn im Schweizer Davos trifft sich die Wirtschafts- und Politikelite des Globus. Mindestens 2500 Teilnehmer werden erwartet, dazu hunderte Journalisten. 5000 Soldaten und 1000 Polizisten sorgen für Sicherheit.

Auch dieses Jahr sind eine Reihe Wirtschaftslenker der NRW-Unternehmen dabei. Post-Chef Frank Appel nimmt sich regelmäßig Zeit, um beispielsweise den Reden von US-Vizepräsident Joe Biden zuzuhören - und am Rande viele Geschäftspartner zu sprechen. "Selten waren wir zu Beginn eines Jahres mit einem solchen Mix aus positiven, aber auch nachdenklich machenden Nachrichten aus Politik und Wirtschaft konfrontiert", sagte er unserer Redaktion.

Auch Evonik-Chef Klaus Engel, RWE-Vorstandsvorsitzender Peter Terium oder Haniel-Leiter Stephan Gemkow haben sich zu dem illustren Treffen angemeldet. Bayer-Chef Marijn Dekkers fehlt hingegen anders als im Vorjahr ebenso wie Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Bei Henkel reisen der scheidende Vorstandschef Kasper Rorsted, sein Nachfolger Hans Van Bylen und Finanzvorstand Carsten Knobel zu dem Meeting - sie wollen insbesondere Chancen einer weiteren Digitalisierung erkunden. Immerhin ist "Industrie 4.0" offizielles Hauptthema in den Schweizer Bergen.

Tatsächlich geht es aber mindestens ebenso stark um die Wachstumsaussichten der Welt. Der Internationale Währungsfonds hat gestern seine Konjunkturprognose für das laufende und kommende Jahr gesenkt. "Die Wachstumserwartungen scheinen stetig zu sinken. Wir haben wohl einen holprigen Weg vor uns", sagte IWF-Chefökonom Maurice Obstfeld. Sorgen macht vor allem das schwächelnde Wachstum in China.

So sieht der Währungsfonds für das laufende Jahr nur noch ein weltweites Wachstum von 3,4 Prozent, 2017 könnte es um 3,6 Prozent nach oben gehen. Der IWF hat damit seine Prognose vom Herbst um je 0,2 Punkte nach unten korrigiert.

Wie sich die Stimmung unter den Top-Managern ändert, zeigt eine ebenfalls gestern veröffentlichte Studie der Beratungsgesellschaft PwC: Nur noch gut ein Viertel der Unternehmenslenker rechnet in den kommenden zwölf Monaten mit einem weltweiten Wirtschaftswachstum, vor einem Jahr waren noch 37 Prozent der Befragten optimistisch in Bezug auf die globale Konjunktur.

Viele Manager befürchten gerade angesichts der wachsenden Konflikte, dass sich die Staaten künftig wieder stärker abschotten werden. Diese Sorge teilt auch Postchef Appel: " Wir müssen dafür sorgen, dass die Globalisierung als Entwicklung, die Millionen von Menschen auf unserem Planeten in den letzten 25 Jahren mehr Gesundheit, mehr Bildung und ein besseres Leben gebracht hat, nicht ins Stocken gerät."

Gerade der Energiesektor könnte aber einen neuen Boom entfachen. Laut einer Studie der Beratungsfirma Bain müssen die Schwellenstaaten wie China, Brasilien oder Russland in den nächsten Jahrzehnten pro Jahr 500 Milliarden Dollar (rund 450 Milliarden Euro) statt der bisherigen rund 250 Milliarden Dollar in die Stromversorgung investieren. Nur so könnten sie mit den Industriestaaten mithalten und gleichzeitig das Klima schonen.

Haupttreiber von Innovationen bei der Energieerzeugung würden nicht mehr die reichsten Industriestaaten der Welt sein. Vielmehr sorgen in den kommenden Jahrzehnten vor allem die Schwellenländer für globale Zuwächse bei der Stromerzeugung - und setzen dabei stark auf regenerative Energien. "Wir erwarten, dass die Nicht-OECD-Staaten bei den erneuerbaren Energien weit stärker zulegen als die Industriestaaten", erklärt Walter Sinn, Deutschland-Chef von Bain.

(RP)
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