Kolumne: Der Ökonom Der Ölpreis schreibt mal wieder Geschichte

Kaum ein Preis verändert das Weltgeschehen so nachhaltig wie der Ölpreis. Derzeit zwingt der niedrige Kurs die Öl-Multis in die Knie und lehrt die Opec das Fürchten.

Der Preismechanismus gehört zu den wichtigsten Erfindungen der Menschheit. Er gibt Auskunft über die Wünsche der Menschen und regelt wie kein anderer Mechanismus Verbrauch und Produktion. Einer der wichtigsten Preise ist die Notierung von Rohöl. Verändert sich der Ölpreis in großen Sprüngen nach oben oder unten, wird zumeist Geschichte geschrieben. Das war in der Zeit der Ölpreisschocks in den 70er Jahren der Fall. Und auch jetzt lässt der Ölpreis Länder und multinationale Konzerne erbeben, seit er von seinem Höchstkurs von 114 Dollar je Barrel (Brent) im Juni 2014 auf jetzt zeitweise unter 50 Dollar gefallen ist. Das jüngste Beispiel ist der Megakauf des britisch-niederländischen Multis Shell, der sich für 65 Milliarden Euro den Gasriesen BG einverleiben will. Weitere Übernahmen und Fusionen dürften folgen.

Die Gründe für den Preisverfall sind vielfältig: die riesige Förderung von Schiefergas und -öl durch Fracking in den USA, die verringerte Abhängigkeit der Industrie- und Schwellenländer vom Öl, die Entdeckung gewaltiger Ölreserven, zuletzt bei London und Los Angeles.

Noch gewaltiger sind freilich die Folgen des massiven Preisrückgangs. Förderländer wie Russland, Nigeria oder Venezuela rasen in eine schwere Rezession, weil ihr wichtigstes Exportgut keinen Gewinn mehr abwirft. Der Iran muss im Atomstreit nachgeben. Umgekehrt haben die Konsumenten weltweit 1500 Milliarden Euro mehr in der Tasche, was wie ein gigantisches globales Konjunkturprogramm wirken dürfte.

So wie der Ölpreisanstieg eine Schar von Beduinen zu den reichsten Menschen der Welt machte und der westlichen Wirtschaft mehr schadete als der Zweite Weltkrieg, könnte er jetzt Putin stoppen und in Venezuela das sozialistische Experiment beenden. Dass er nebenbei übermächtige Öl-Multis in Nöte stürzt, indem er ihr Geschäftsmodell vernichtet, ist fast Nebenaspekt. Vielleicht ist es da ganz gut, dass der Ölpreis auf längere Sicht an Wichtigkeit gegenüber anderen volkswirtschaftlichen Preisen einbüßt.

Fragen? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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