Der Ökonom Der wahre produktive Mittelstand

Düsseldorf · Kleine und mittlere Unternehmen machen angeblich Deutschlands Stärke aus. Doch ihr Anteil entspricht dem anderer EU-Länder. Dynamischer sind die größeren Firmen.

 Unser Autor Martin Kessler.

Unser Autor Martin Kessler.

Foto: Kessler

Wer Deutschlands Wirtschaftssystem lobt, ist schnell beim angeblich einzigartigen Mittelstand des Landes. Er fehlt in keiner politischen Sonntagsrede. Und Subventionen wie Forschungsförderung, Steuervergünstigungen und Sonderrechte bei der Erbschaftsteuer scheinen nur zu berechtigt zu sein.

Zweifellos leisten die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) mit bis zu 250 Beschäftigten Großes. Sie sind für fast die Hälfte der Wertschöpfung aller Firmen verantwortlich und sorgen für mehr als 60 Prozent der Unternehmensjobs. Doch vergleicht man die Stellung des deutschen Mittelstands mit dem der anderen großen Ländern der Europäischen Union, so bewegt sich die Bundesrepublik genau in der Mitte. In Großbritannien ist der Anteil der KMU an der Wirtschaftsleistung höher, in Frankreich niedriger, in Italien gleich. Bezogen auf alle EU-Länder liegt Deutschland exakt im Schnitt.

Tatsächlich ist es eine andere Gruppe, die für die wirtschaftliche Dynamik Deutschlands sorgt. Das Institut der deutschen Wirtschaft hat die mittelgroßen Unternehmen zwischen 250 und 3000 Beschäftigten zu den wahren Champions erklärt. Und da ist etwas dran. Zwar wird diese Gruppe von der offiziellen Statistik nicht erfasst, doch die 14.000 Unternehmen beschäftigen 8,9 Millionen Menschen und hatten 40 Prozent mehr Jobs seit 2003, deutlich mehr als die Klein- und Großunternehmen mit je 21 Prozent. Hier tummeln sich die heimlichen Weltmarktführer, die Deutschlands industriellen Ruf begründen.

Ökonomisch gesehen ist die Unternehmensgröße ein Ergebnis von Marktgröße und Produktionstechnologie. Große, mittlere und kleine Unternehmen haben ihre jeweilige ökonomische Funktion. Und es ist nicht sinnvoll, dieses Verhältnis zu korrigieren, es sei denn, um den Wettbewerb zu bewahren. Dass in Frankreich die Großen dominieren und in Italien die Kleinen, hat auch mit den dortigen Regulierungen zu tun. Ökonomisch gesehen ist das eher schädlich.

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