Kolumne: Der Ökonom Kassen-Boni für Ärzte schaden der Gesundheit

Der Gesundheitsfonds mit einem Volumen von 208 Milliarden Euro ist eine riesige Umverteilungsmaschine. Das reizt Ärzte und Kassen, Gelder in die eigenen Taschen zu lenken.

Der Vorstandsvorsitzende der Techniker-Krankenkasse (TK), Jens Baas, rührte dieser Tage an einem Tabu. Er gab offen zu, dass die Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Abrechnung von Leistungen schummeln. TK-Chef Baas hatte die Zahlungen aus dem Gesundheitsfonds im Blick, einer Verrechnungsstelle, die zwischen den Kassen einen Ausgleich herbeiführt. Dabei erhalten die Kassen, die mehr Krankheitsrisiken bei ihren Versicherten haben, Geld von denen, deren Risiken besser sind. Das ist der Risikostrukturausgleich.

Genau da setzen die Schummeleien ein. Denn Ärzte haben bei der Bestimmung von Diagnose und Therapie einen Informationsvorsprung vor Patienten und Kassen. Ungleiche Informationsstände, das haben die beiden Ökonomen und frisch gekürten Nobelpreisträger Bengt Holmström und Oliver Hart herausgefunden, führen zu Ineffizienz bei Verträgen und Organisationsstrukturen. Denn bei Kassen besteht im Rahmen des Risikostrukturausgleichs der Anreiz, die eigenen Versicherten kränker zu machen, als sie sind. Dazu brauchen sie die Ärzte, die die Diagnosen und Therapien erstellen. Wenn die in Zweifelsfällen immer die teurere Variante wählen, verdienen die Kassen und die Ärzte. Etliche Kassen zahlen sogar Boni, wenn die Mediziner schwerwiegendere Diagnosen schreiben. Laut TK-Chef Baas handelt es sich um eine Volumen von mindestens einer Milliarde Euro. Das sind 0,5 Prozent des gesamten Gesundheitsfonds.

Natürlich verschreiben die meisten Ärzte korrekt, aber es besteht eben der Anreiz zur Schummelei, den man vermeiden könnte. So muss der Gesetzgeber den Kassen verbieten, Boni für Krankschreibungen zu gewähren. Denn das Geld fehlt für diejenigen, die eine Behandlung nötiger haben.

Aber auch ohne Boni kann es für Ärzte interessant sein, mehr als die notwendige Behandlung zu verschreiben. Sie laufen dann aber Gefahr, weniger für ihre Leistungen zu bekommen, weil die Gesamtbudgets beschränkt sind. Das zwingt indirekt zur Sparsamkeit.

Fragen? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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