Kolumne: Der Ökonom Schriftsteller-Protest und Amazon

Der Protest der Autoren gegen den Versandhändler Amazon unterschlägt, dass sich Schriftsteller dem Wettbewerb stellen müssen. Literatur hat auch eine ökonomische Seite.

Es gibt Großverdiener unter den Schriftstellern und Habenichtse - wie im wirklichen Leben. Dass etwa Autoren wie der Brasilianer Paulo Coelho oder die Britin Joanne K. Rowling, die Bestverdiener der Branche, ihre Bücher nach dem Geschmack des Publikums schreiben, dürfte außer Zweifel stehen. Doch auch literarische Größen wie Thomas Mann hatten das Geschäft im Sinn, wenn sie etwa Buchtitel auswählten. So hieß "Lotte in Weimar" in der englischen Fassung "The beloved returns" (Die Geliebte kehrt zurück). Manns US-Verleger überzeugte ihn, dass allein der Titel den Verkauf verdoppeln würde.

Es ist deshalb nicht lauter, wenn die Autoren dem Versandhändler Amazon vorwerfen, das Geld überwölbe den literarischen Betrieb. Tatsächlich ist auch Schriftstellerei ein Broterwerb und unterliegt ökonomischen Regeln. Wenn dabei unsterbliche Werke wie die von Goethe, Fontane oder Mann entstehen, um so besser. Den armen Poeten, der Kunst nur um ihrer selbst Willen betreibt, kann man hingegen getrost ins Land der Legende verweisen.

Wie andere vernünftige Menschen wägen Schriftsteller Ertrag und Kosten ihrer Tätigkeit ab. Dass manche exorbitant verdienen, verdanken sie ihrem Talent oder ihrem richtigen Gespür für Trends. Hinzu kommt das vielgeschmähte Urheberrecht, welches das geistige Eigentum des Schriftstellers schützt.

Der Versandhändler Amazon hat zusätzlich den Vertriebsweg revolutioniert. Wie nie zuvor hat er durch seine Preispolitik und Logistik den Autoren neue Leserschichten erschlossen. Was er dafür verlangt, ist Preisflexibilität und den Einsatz neuer Medien wie dem E-Book. Jeder Schriftsteller ist völlig frei, diesen Weg zu vermeiden und weiterhin ausschließlich auf den stationären Buchhandel zu setzen. Man muss nicht jeden Geschäftstrick von Amazon gutheißen, schon gar nicht die Behandlung eines Teils der Belegschaft. Aber dass Amazon die Autoren knebelt und ausbeutet, davon kann nicht die Rede sein. Für Schriftsteller ist der Versandhändler eine zusätzliche Vertriebsquelle, für viele sogar die entscheidende.

Fragen? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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