Kolumne: Der Ökonom Warum Betrug so verführerisch ist

Der VW-Konzern muss für seine Abgas-Manipulation bitter bezahlen. VW-Manager waren bereit zu betrügen, weil sie nicht mit der Härte der Umweltbehörde rechneten.

Für Ökonomen sind Betrüger rational handelnde Menschen. Sie verschaffen sich über ihre Manipulation einen Vorteil, dem sie das Risiko der Aufdeckung und die damit verbundene Höhe der Strafe gegenüberstellen. Es ist ganz offensichtlich, dass die Manager und Ingenieure von VW bei der Abgas-Manipulation nach diesem Schema vorgegangen sind.

Den Vorteil, einen großen Markt so für die deutsche Diesel-Technologie zu erschließen, schätzten sie so hoch ein, dass er den möglichen Schaden - eine Strafe multipliziert mit der Wahrscheinlichkeit der Betrugsaufdeckung - weit überstieg. Der mögliche Imageschaden für den Konzern dürfte keine Rolle gespielt haben, denn die Akteure waren an ihrem Einkommen und weniger am Unternehmenswert interessiert.

Damit ist es auch unwahrscheinlich, dass der gestürzte VW-Patriarch Ferdinand Piëch die US-Umweltbehörde über die Abgasmanipulation aufgeklärt hat, etwa um sich an seinem einstigen Zögling Martin Winterkorn zu rächen, den er vergeblich von seinem Posten verdrängen wollte. Immerhin hat Piëch als VW-Eigner durch den Kurssturz viel Geld verloren.

Das Kalkül der VW-Betrüger ist nicht aufgegangen. Sie haben offenbar deutsche oder europäische Verhältnisse bei der Prüfung vermutet. Denn im Vergleich zu den USA fallen die Strafen von deutschen oder europäischen Umweltbehörden eher milde aus. Zugleich kontrollieren sie nicht mehr so akribisch, wenn sie einmal ein Verfahren erlaubt haben.

Da ökonomisches Verhalten immer unter Unsicherheit stattfindet, ist die jetzt mögliche drastische Strafe von 18 Milliarden Dollar wohl nicht so erwartet worden. Die amerikanische Umweltbehörde kann mit diesem Abschreckungsszenario wirksam Nachahmer verhindern. Den US-Verbrauchern und dem Umweltschutz leistet die Behörde damit einen großen Dienst - einen größeren jedenfalls als deutsche Prüfstellen, die nach einmaligen Prüfungen Persilscheine ausstellen.

Fragen? Schreiben Sie dem Autor unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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