Kolumne: Die Ökonomin Stell dir vor, der Arzt ist weg

Ärzte trommeln gegen das geplante Versorgungsgesetz. Sie warnen vor einem Praxen-Sterben. Die Regierung will dagegen die Landflucht stoppen. Wer hat Recht?

Stellen Sie sich vor, Sie gehen zum Arzt, und er ist nicht mehr da. Mit solchen Slogans trommeln Ärzte gegen das "Versorgungsstärkungs-Gesetz", mit dem Gesundheitsminister Hermann Gröhe gegen Ärztemangel auf dem Land und Überversorgung in Städten vorgehen will. Danach sollen Kassenärztliche Vereinigungen (KV) Praxen in überversorgten Gebieten aufkaufen oder einziehen, um die Zahl der Ärzte hier zu senken und diese in unterversorgte Regionen zu locken. Die KVen sehen Tausende Praxen sterben und die Patienten-Versorgung in Gefahr. Gröhe ist nicht der erste Minister, gegen den im Wartezimmer opponiert wird.

Das Grundproblem ist stets dasselbe: Der Markt für ärztliche Leistungen funktioniert nicht. Anders als beim Markt für Brötchen oder Autos sind Angebot und Nachfrage nicht unabhängig. Die Anbieter, die niedergelassenen Ärzte, können ihre Nachfrage selbst schaffen. Mit etwas Zusatz-Therapie hier und etwas Extra-Diagnostik (Igel-Leistungen) dort konnten sich viele bislang auch in überversorgten Städten halten. Leidtragende sind die Beitragszahler, die Patienten (die unnötige Igel-Leistungen zahlen) und unattraktive ländliche Regionen. So kommen in Thüringen auf einen Arzt 249 Patienten, während es in Berlin nur 187 sind.

Bei funktionierendem Markt würde das Unterangebot auf dem Land dazu führen, dass der Preis steigt und mehr Ärzte anlockt. Da aber in Düsseldorf der Arzt so viel bekommt wie im niederheinischen Kranenburg, fällt dieser Mechanismus weg. Schon in den 1990er Jahren wurde eine Bedarfsplanung eingeführt. Die muss nun angepasst werden - und da ist Gröhe auf gutem Weg.

Wenn manche Ärzte nun Ängste vor einem Praxen-Sterben schüren, ist das genauso unredlich wie Patienten mit Verweis auf drohende Krankheiten zum Kauf von Igel-Leistungen zu nötigen. Viele Ärzte arbeiten hart und aufopferungsvoll. Manche aber nutzen die strukturelle Schwäche ihrer Nachfrage aus. Da der Markt es nicht richten kann, muss der Gesetzgeber einschreiten.

Ihre Ansicht? Schreiben Sie der Autorin unter kolumne@rheinische-post.de

(RP)
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