Berlin Wirtschaftsweise sind pessimistischer als Regierung

Berlin · Der Sachverständigenrat der fünf Wirtschaftsweisen prognostiziert nur noch ein Prozent Wachstum im Jahr 2015. Verantwortlich für die Talfahrt macht er die Politik der Bundesregierung. Die Experten attestieren der großen Koalition zahlreiche Fehler in der Wirtschaftspolitik. Kanzlerin Merkel nimmt Gutachten heute entgegen.

Die deutsche Konjunktur verliert nach Einschätzung der fünf Wirtschaftsweisen stärker an Fahrt als bisher befürchtet. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR) erwartet im kommenden Jahr nur noch ein Wirtschaftswachstum von 1,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das berichtete die "Süddeutsche Zeitung" unter Berufung auf das neue Jahresgutachten, das die Professoren heute in Berlin Kanzlerin Angela Merkel (CDU) übergeben.

Damit sind die Ökonomen noch pessimistischer als die Bundesregierung, die ihre Vorhersagen zwar auch deutlich reduziert hat, für 2015 immerhin aber noch ein Plus von 1,3 Prozent erwartet. Für das laufende Jahr wollen die Wirtschaftsweisen nun ihre Prognose von 1,9 Prozent auf 1,2 Prozent senken.

Nach einem überraschend guten Start im Frühjahr 2014 habe die Konjunktur einen deutlichen Dämpfer erhalten, heißt es im Gutachten. Dafür seien die weltwirtschaftlichen Krisen und die schleppende Erholung im Euroraum mitverantwortlich. Die Experten sehen aber auch Fehler der großen Koalition: Der eingeschlagene Kurs in der Energiepolitik sowie in der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik könnte sich negativ ausgewirkt haben. Wie bereits die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute kritisieren auch die Wirtschaftsweisen vor allem die Rentenpolitik der Regierung. Die Rente mit 63 setze neue Anreize zur Frühverrentung, die angesichts der schnellen Alterung der Gesellschaft völlig unangebracht seien.

Der Arbeitsmarkt in Europas größter Volkswirtschaft bleibt aber laut dem Gutachten unverändert robust. Für 2014 rechnen die Wirtschaftsweisen mit 42,641 Millionen und für 2015 mit 42,795 Millionen Erwerbstätigen. Damit soll die Beschäftigung auf Rekordniveau bleiben. Die Arbeitslosenquote werde in beiden Jahren konstant bei 6,7 Prozent liegen. Der hohe Beschäftigungsstand stütze den Konsum, heißt es in dem gut 404 Seiten starken Gutachten mit dem Titel "Mehr Vertrauen in Marktprozesse".

(mar)
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