Washington Wohlhabender Jurist leitet die Fed

Washington · Jerome Powell war Mitglied im Kabinett von George Bush senior, Investmentbanker und zuletzt Mitglied im Direktorium der US-Notenbank. Donald Trump macht den Republikaner zum Nachfolger von Janet Yellen.

Normalerweise sind es promovierte Ökonomen, die an der Spitze der amerikanischen Notenbank die Weichen der Geldpolitik stellen. Ben Bernanke etwa hatte sich im akademischen Betrieb darauf spezialisiert, die Große Depression der 30er-Jahre in all ihren Kapiteln zu studieren, was ihm zupass kam, als mit der Finanzkrise 2008 eine ähnliche Talfahrt drohte. Janet Yellen galt als Musterschülerin des Nobelpreisträgers James Tobin, eines Keynesianers, unter dessen Obhut sie ihre Doktorarbeit schrieb. Jerome Powell, von Donald Trump zum neuen Vorsitzenden der Federal Reserve ernannt, ist seit drei Jahrzehnten der Erste, der keinen Doktortitel in Ökonomie vorweisen kann. Der heute 64-Jährige ließ sich an der prestigeträchtigen Georgetown University zum Juristen ausbilden, er wurde Anwalt und rückte ins Kabinett George Bushs des Älteren auf, im Finanzministerium zuständig für Geldinstitute. Später arbeitete er als Investmentbanker für die Carlyle Group, eine Vermögensverwaltung, und wurde reich: Sein Privatvermögen wird nach den in den USA üblichen Spannen auf mindestens 21 Millionen und höchstens 72 Millionen Dollar geschätzt. Seit 2012 sitzt er im Gouverneursrat der Fed, wo er die Zinsstrategie der kleinen Schritte, für die Yellen sehr markant steht, ohne Abstriche mittrug. Wie Yellen hielt und hält es auch Powell für richtig, das "Quantitative Easing" nur allmählich zurückzufahren, jenen Ankauf von Wertpapieren durch die Zentralbank, durch den Geld in den Wirtschaftskreislauf gepumpt werden sollte. In den Protokollen der Fed lässt sich kein einziges Beispiel finden, dass er der Frau an der Spitze dezidiert widersprach.

Das "Wall Street Journal" nennt ihn denn auch den Kandidaten der Kontinuität, andere sprechen zugespitzter von einer Fortsetzung Yellens in Nadelstreifen. Demokraten im US-Kongress sehen in der Personalie eine Bestätigung dafür, dass die bisherige Notenbankchefin richtig lag mit ihrem Kurs, nur vorsichtig an der Zinsschraube zu drehen, um den auf Touren gekommenen Wirtschaftsmotor nicht wieder abzuwürgen. Was zwangsläufig die Frage aufwirft, warum sie ihren Posten überhaupt räumen muss.

Eigentlich besagt eine ungeschriebene Regel der Federal Reserve, dass man die Nummer eins nicht auswechselt, wenn erst eine vierjährige Amtszeit absolviert ist. Und dass ein neuer Präsident sie auch dann auf ihrem Posten lässt, wenn sie vom alten ernannt wurde. Der Letzte, der dies ignorierte, war 1978 Jimmy Carter. Dass sich auch Trump über die Tradition hinwegsetzt und Yellen bereits im Februar gehen muss, liegt wohl an seiner Dauerfehde mit Barack Obama. Der 45. US-Präsident scheint förmlich besessen von der Idee, alles umstülpen zu müssen, was der 44. beschloss. Auch personell. Dass er Powell den Zuschlag gab, zeigt indes, dass er eine inhaltliche Alternative zu Yellen im Grunde nicht will. Nur eben einen Vertreter der Yellen-Denkschule, der unter Obama weniger im Rampenlicht stand.

Für Powell legte sich vor allem Finanzminister Steve Mnuchin ins Zeug. Die Beförderung des Bankgouverneurs, soll er argumentiert haben, würde an der Wall Street ganz sicher auf Zustimmung stoßen. Sie würde Börsianern die Angst vor einem Crash nehmen, vor einem Kurssturz, wie ihn allzu rasche Zinsanhebungen auslösen könnten.

(RP)
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