Wuppertal

Wuppertal · Das Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP ist ein historisches Projekt, das für die Hälfte der Weltwirtschaft mehr Handel und Wohlstand bringen soll. Es geht weniger um die Senkung der Zölle, die mit drei Prozent gering auf beiden Seiten des Atlantiks sind. Vielmehr sollen die hohen Nicht-Zoll-Barrieren im Vordergrund stehen. Doch TTIP ist gerade in Deutschland umstritten. Kritiker fragen, ob sich TTIP überhaupt lohne, da die EU-Studie davon gerade mal 0,5 Prozent Einkommenszuwachs erwartet. Doch nun zeigt eine Studie von uns, die sich auf 20 EU-Länder bezieht, neue Befunde.

Durch TTIP werden Barrieren abgebaut. Entsprechend sind nicht nur höhere Handelsströme, sondern auch Investitionsflüsse zu erwarten. US-Unternehmen stehen bisher für drei Prozent der Wertschöpfung in der EU. Mit TTIP wird es sicher mehr. Auch ist zu erwarten, dass Investoren aus China, Japan und anderen Ländern verstärkt in Europa investieren. Der Abbau von Handelshürden verschärft den Preiswettbewerb. Dem versuchen dann Firmen durch Innovation zu entgehen.

Widerstände in Deutschland waren lange bei Schiedsgerichten sichtbar: Hier ging es um Konfliktregelung zwischen Auslandsinvestoren und Staat, wobei die Bundesregierung 2015 einen klugen Vorschlag gemacht hat, nämlich statt Schiedsgerichte einen Handelsgerichtshof mit Berufsrichtern und Berufungsinstanz einzurichten. Diese Position hat die EU nun aufgenommen, so dass nur wenige Kritikpunkte bei TTIP bleiben. Als kritisch gelten EU-seitig Zulassungs- und Kennzeichnungsfragen bei genmanipulierten US-Agrargütern, die Regulierungskooperation etwa bei der Medikamentenzulassung und der Schutz des Kultursektors.

Eine neue Studie von uns zeigt, dass die Einbeziehung von Direktinvestitionen und Innovationen deutliche Einkommenserhöhungen bringt - nämlich zwei Prozent für Deutschland bzw. die EU. Die Wirkungskette lautet vereinfacht: TTIP bringt mehr ausländische Direktinvestitionen von multinationalen Unternehmen, eine Zunahme der Direktinvestitionsquote um zwölf Prozent erhöht die Patentanmeldungen um etwa zwei Prozent. Erhöhte Patentanmeldungen lassen wiederum die gesamtwirtschaftliche Produktion und das Realeinkommen ansteigen. Wenn man dies und die Einkommensverstärkungseffekte berücksichtigt, die vom US-Einkommensanstieg ausgehen, so kommt man auf einen Zugewinn von etwa zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für die EU; rund 2000 Euro pro Familie in Deutschland. Das ist erheblich.

Es wird aber nicht nur Gewinnerbranchen und nicht nur Vorteile durch TTIP geben. Insbesondere für die Wirtschaftspolitik entstehen auch Herausforderungen. Dringend empfehlenswert ist eine verstärkte EU-USA-Kooperation im Bereich der Wettbewerbspolitik. Denn mit einem integrierten transatlantischen Markt wird eine Tendenz zu Expansion der Großunternehmen, auch zu internationalen Unternehmenszusammenschlüssen, einhergehen. Verbrauchernutzen aber geht über intensiven Wettbewerb. Debatten zu TTIP sind nötig; dessen Vorteile sind deutlich höher, als die EU-Kommissionstudie zeigte.

Paul Welfens und André Jungmittag forschen an der Bergischen Universität Wuppertal.

(RP)
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