Stuttgart Zetsche ist der Stern am Daimler-Himmel

Stuttgart · Der Konzernchef erreicht einen Etappensieg: Er weist eine operative Marge aus, die über zehn Prozent liegt.

Die gestrige Vorstellung der Quartalszahlen in Stuttgart muss bei dem Mann mit dem prägnanten Schnauzbart und der Nickelbrille für Genugtuung gesorgt haben. Was sind sie in den vergangenen drei Jahren oft über Dieter Zetsche hergefallen! Arbeitnehmervertreter straften den Daimler-Chef 2013 im Aufsichtsrat ab, signalisierten ihm mit einer Vertragsverlängerung von nur drei statt fünf Jahren ihr mangelndes Vertrauen. Aktionäre wünschten sich lauthals Zetsches Ablösung, als der Manager ab 2012 mehrere Gewinnwarnungen verkünden und zusehen musste, wie die Konkurrenz an den Stuttgartern vorbeizog. Der "Spiegel" zitierte damals einen Manager-Kollegen gar mit den Worten: "Der Dieter kann es nicht."

Das alles ist vergessen. Denn nun zeigt sich, der Manager Dieter Zetsche kann es sehr wohl: Er hat Daimler aus dem tiefen Tal der Tränen herausgeführt. Er hat - auch gegen den vehementen Widerstand des Betriebsrats - einen harten Sparkurs durch- und umgesetzt, den Konzernvorstand verjüngt und deutlich mehr Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt. Seit zwei Jahren jagt ein neues oder überarbeitetes Modell das nächste. Angestaubte Modelle wurden aufgepeppt. Die neue E-Klasse kommt 2016, bis Ende des Jahrzehnts sollen zehn neue Autos vorgestellt werden.

Zetsche hat sich - wenn auch sehr spät - zudem dazu durchgerungen, in China stärker anzugreifen. Das Geschäft im Premiumsegment auf dem größten und bislang am schnellsten wachsenden Automarkt bestimmen mit BMW und Audi die schärfsten Daimler-Konkurrenten. Doch ausgerechnet die späte Entscheidung für China macht sich für Zetsche nun bezahlt: Weil Daimler dort immer noch den Ruf des Neuen und Aufregenden hat, schafft der Konzern vergleichsweise große Absatzerfolge. Im Juni verkauften die Schwaben dort 38,5 Prozent mehr Autos - während die Konkurrenz auf dem inzwischen langsamer wachsenden Markt schon schwächelte. Befeuert wurde diese Entwicklung auch durch ein stark ausgebautes Händlernetz und massive Rabattaktionen. Zudem produziert Daimler verstärkt auch vor Ort.

Viel wichtiger aus Sicht des Konzernchefs ist jedoch ein anderes Ziel, das er bereits seit vier Jahren anpeilt: Zetsche hat endlich die operative Marge von zehn Prozent überschritten. Hinter dieser Kennzahl verbirgt sich der Anteil des operativen Gewinns am Umsatz. "Jetzt geht es darum, dieses Niveau nachhaltig zu sichern", sagte Zetsche gestern. Auf den niedrigen Euro-Kurs allein wird sich der Top-Manager dabei nicht verlassen.

Mit einem starken Mandat - immerhin hat Aufsichtsratschef Manfred Bischoff Zetsches 2016 auslaufenden Vertrag schon vorzeitig bis 2019 verlängert - muss sich der Daimler-Chef seiner Hauptaufgabe widmen: Bis Anfang 2020 will der dann 66-Jährige weltweit mehr Autos verkaufen als Audi und BMW. Dass Zetsche dafür der Richtige sein könnte, liegt auch an seiner mit Daimler verbandelte Vita: 1953 kam er in Istanbul zur Welt, sein Vater betreute damals als Bauingenieur ein Staudamm-Projekt nahe Ankara. Familie Zetsche kehrte 1955 nach Deutschland zurück. Dort wählte der Filius wie der Vater den Ingenieurberuf, studierte Elektrotechnik und schrieb seine Diplomarbeit bereits bei Daimler. Darin konzipierte er ein computergestütztes Verfahren für Kurven-Neiger - ein Projekt, das Eingang in die Praxis fand. Von da an blieb er den Stuttgartern treu, schaffte den Sprung zum Entwicklungschef, ehe er als Vertriebschef in den Vorstand aufrückte. Jürgen Schrempp schickte ihn 2000 zur ehemaligen Tochter Chrysler. Dort verdiente sich der mitunter ruppig auftretende Zetsche als harter, aber zuverlässiger Sanierer Respekt. Er ist Auto-Freak. Früher verpasste er fast keine Vorstandsabnahmen, also die letzte Vorführung eines neuen Modells.

Die kommenden Monate dürften trotz guter Zahlen schwierig werden. Nicht nur das Wachstum in China verlangsamt sich. Weltweit rechnet Daimler mit einer schwächeren Autokonjunktur. Trotzdem will Zetsche den Absatzrekord 2014 einstellen - es wäre eine weitere Genugtuung für den Chef.

(maxi)
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