Düsseldorf Zondag open

Düsseldorf · In Deutschland klagt die Gewerkschaft Verdi vielerorts erfolgreich gegen verkaufsoffene Sonntage. Die Kunden stört das wenig: Viele NRW-Bürger reisen einfach über die Grenze in die Niederlande. Denn hier sind die Regeln ganz anders.

Jeden Sonntag, wenn er die Joriskirche im Zentrum Venlos verlässt, sieht Gert Reitsma die langen Fahrzeugschlangen: Da sind sie wieder, die Deutschen, die jenseits der Grenze einkaufen wollen. "Sie entfliehen der Sonntagsruhe in Deutschland", sagt der Vorsitzende des Kirchenrates: "Einer Sonntagsruhe, die wir, die protestantische Kirche, gerne auch in Venlo hätten."

Doch dieser Streit ist längst verloren. Dass ein Gericht einen verkaufsoffenen Sonntag verbietet, wie zuletzt in Düsseldorf, wäre in den Niederlanden undenkbar.

Während in Deutschland die Gewerkschaft Verdi gegen verkaufsoffene Sonntage vor Gericht zieht und die Politik seit Jahren um Erlaubnisse ringt, ist der Streit im Nachbarland entschieden: Die Sonntagsruhe ist zwar noch immer im Gesetz vorgesehen, ein anderes Gesetz hebelt diese jedoch faktisch aus, indem es die Öffnungszeiten regelt.

Den ersten sogenannten Koopzondag gab es bereits 1984, zunächst an maximal vier Sonntagen pro Jahr. Dreißig Jahre später kann jede Gemeinde selbst entscheiden, wie oft und lange die Läden in der Stadt öffnen dürfen. In größeren Städten haben die meisten Geschäfte 52 Wochen pro Jahr sonntags geöffnet, sogar am Ersten Weihnachtstag kann man im Supermarkt einkaufen gehen. Viele niederländische Touristen staunen deshalb nicht schlecht, wenn sie in deutschen Städten sonntags vor geschlossenen Ladentüren stehen. In den Niederlanden ist der "Koopzondag" in den größeren Städten so normal geworden, dass sich niemand mehr darüber wundert.

Trotzdem gibt es auch in den Niederlanden Klagen - allerdings stammen die meistens von Läden in den kleineren Städten und Dörfern. Deren Inhaber ärgert, dass sie nicht jeden Sonntag Kunden empfangen dürfen. Der Geschäftsführer des Elektronikgeschäfts Mediamarkt in der 100.000-Einwohner-Stadt Deventer drohte Anfang dieses Jahr sogar, seinen Laden zu schließen, wenn er nicht häufiger öffnen dürfe. "Ich leite auch den Mediamarkt in Apeldoorn", sagte Peter van de Maagdenberg der Lokalzeitung "De Stentor": "Da mache ich den zweitbesten Umsatz am Sonntag. Der verkaufsoffene Sonntag ist für mich essenziell. Ich will ihn, aber der durchschnittliche Kunde will ihn auch."

Die Gemeinde Deventer findet ihre 15 verkaufsoffenen Sonntage ausreichend. Genau wie in Deutschland wird die Zurückhaltung mit der Sonntagsruhe und dem Schutz kleiner Unternehmen begründet. Solche Argumente hat es auch in Venlo gegeben, genutzt hat es nichts: Vor sechs Jahren wurde entschieden, dass es keine Beschränkung der Öffnungszeiten mehr gibt.

"Seitdem ist hier jeden Sonntag viel los - auch wegen der Deutschen. Wobei, eigentlich würde ich sogar sagen, vor allem wegen der Deutschen", sagt Ruud Stikkelbroeck von Venlo Partners, der Organisation für das City-Marketing, lachend. Natürlich sei es ein Vorteil, dass die Sonntagsöffnungszeiten in Deutschland viel strenger geregelt sind. "Deswegen haben wir weniger Konkurrenz", räumt er ein. In Deutschland ärgert es viele Händler, speziell im so nah an den Niederlanden gelegenen NRW, dass sie ihre Kundschaft wegen der liberaleren Öffnungszeiten an die Nachbarn verlieren. Was Stikkelbroeck sagt, dürfte sie bestätigen: "Die Deutschen, die am Sonntag zu uns kommen, geben mehr Geld hier aus als diejenigen, die während der Woche hier sind." Im vergangenen Jahr hat die Stadt Enschede daher sogar mit einer Tram Werbung für ihre "Koopzondage" gemacht - mehr als 100 Kilometer entfernt, in Essen.

Sogar die Gewerkschaften reagieren in den Niederlanden zurückhaltender. Klagen gegen die Sonntagsöffnungen, wie sie in Deutschland Verdi vorantreibt, kann man sich bei der christlichen Gewerkschaft CNV jedenfalls nicht vorstellen. "Wichtig ist uns, dass die Mitarbeiter immer nur freiwillig am Sonntag arbeiten und extra bezahlt werden", heißt es dort. Ärger gebe es mit den Händlern nur, wenn jemand den Job verliert, weil er nicht sonntags arbeiten wollte. Doch das sei die Ausnahme. "Die meisten Mitarbeiter verstehen, dass es zu der Arbeit in einem Geschäft gehört, auch mal sonntags zu arbeiten - genau wie im Krankenhaus, bei der Polizei oder im Restaurant."

(RP)
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